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Elternurlaubpolitik gehört zu den Maßnahmen, die darauf abzielen, Familie und Beruf zu vereinbaren und etwaige negative Auswirkungen des Elternwerdens auf die berufliche Entwicklung zu verringern.

Im Allgemeinen ermöglicht die Politik des Elternurlaubs („Congé parental“) anspruchsberechtigten Müttern und Vätern, einen Teil ihrer Zeit der Kinderbetreuung zu widmen, während sie das Recht behalten, an ihren früheren Arbeitsplatz zurückzukehren. Elternurlaubpolitik gehört zu den Maßnahmen, die darauf abzielen, Familie und Beruf zu vereinbaren und etwaige negative Auswirkungen des Elternwerdens auf die berufliche Entwicklung zu verringern. Und dadurch unter anderem die Gleichstellung der Geschlechter bei der Arbeitsteilung zu fördern. Der Erfolg einer Elternurlaubpolitik hängt davon ab, inwiefern die Zielgruppe die Zielgruppe das Angebot in Anspruch nimmt. Ist die Inanspruchnahme durch Mütter oder Väter geringer als erwartet, werden die politischen Ziele möglicherweise nicht erreicht.

In Luxemburg wurde der Elternurlaub 1999 eingeführt und 2016 einer umfassenden Reform unterzogen. Dadurch wurde der Zugang zum Elternurlaub erleichtert und flexibler gestaltet (weitere Informationen siehe Infobox). Studien von Forschern des Luxembourg Institute of Socio-Economic Research (LISER) (Valentova et al. 2021, Uzunalyoglu et al, 2021) zeigen, dass diese Reform des Elternurlaubs zu einem beispiellosen Anstieg der Inanspruchnahme führte.

Wie sieht das luxemburgische Elternurlaubssystem im Vergleich zu dem anderer europäischer Länder aus? Welche Faktoren beeinflussen Männer und Frauen bei ihrer Entscheidung, Elternurlaub zu nehmen oder nicht? Und gibt es - aus wissenschaftlicher Sicht - Dinge, die geändert werden könnten oder sollten? Wir sprachen mit Dr. Marie Valentova, Wissenschaftlerin in der Abteilung Living Conditions am LISER.

Marie Valentova ist Research Fellow am Luxembourg Institute of Socio-Economic Research (LISER, ehemals CEPS/INSTEAD). Sie hat einen Doktortitel in Soziologie von der Masaryk-Universität und einen Advanced Master in European Social Policy Analysis (MESPA) von der Universität Tilburg (NL) und der Universität Bath (UK).  Sie ist Mitglied des Network of International Review of Leave Policies and Related Research. Sie war auch als Ländermitglied des Expertenforums des Europäischen Instituts für Gleichstellungsfragen (EIGE) und als unabhängige Expertin bei der Peer Review von Sozialschutz und sozialer Eingliederung sowie der Bewertung der sozialen Eingliederung tätig. Sie hat verschiedene drittmittelfinanzierte Forschungs- und politikorientierte Projekte sowohl auf EU- als auch auf nationaler Ebene geleitet bzw. dazu beigetragen.  Zu ihren aktuellen Forschungsinteressen gehören sozialpolitische Analysen und Bewertungen, die Vereinbarkeit von Familien- und Erwerbsarbeit, die Integration und Wahrnehmung von Einwanderern und der soziale Zusammenhalt. Weitere Informationen über Marie Valentovas in ihrem Profil auf der LISER-Website. Foto: LISER.

Marie Valentova erläutert, wie sich der Elternurlaub in Luxemburg im Laufe der Jahre verändert hat: "Zwischen 1999 und 2016 waren die Voraussetzungen für die Inanspruchnahme des Elternurlaubs eine mindestens einjährige Beschäftigung bei demselben Arbeitgeber vor Beginn des Urlaubs und eine Verringerung der Arbeitszeit um mindestens 50 Prozent im Falle der Inanspruchnahme von Teilzeiturlaub. Die Inanspruchnahme des Elternurlaubs hing auch von der Dauer des Arbeitsvertrags ab, da das Enddatum des beantragten Elternurlaubs die Dauer des gesetzlichen Vertrags nicht überschreiten durfte.

Jeder anspruchsberechtigte Elternteil konnte entweder einen sechsmonatigen Vollzeiturlaub oder einen zwölfmonatigen Teilzeiturlaub nehmen. Der Urlaub konnte direkt nach dem gesetzlichen Mutterschaftsurlaub, bis zum fünften Geburtstag des Kindes oder bis zu fünf Jahre nach der Adoption eines Kindes genommen werden. Für anspruchsberechtigte Eltern, die in einer Paarbeziehung leben, galt die Vorschrift, dass ein Elternteil den Urlaub unmittelbar nach dem Mutterschaftsurlaub oder der Adoption eines Kindes - den so genannten "ersten Elternurlaub" - nehmen musste. Der zweite Elternteil konnte dann jederzeit Urlaub nehmen, bis das Kind das fünfte Lebensjahr vollendet hatte - den so genannten "zweiten Elternurlaub". Wenn ein Elternteil oder der andere Elternteil den Elternurlaub nicht unmittelbar nach dem Mutterschaftsurlaub in Anspruch nahm, verfiel der Anspruch auf den Elternurlaub. Der zweite Elternurlaub konnte jedoch von jedem der berechtigten Elternteile jederzeit bis zum fünften Lebensjahr des Kindes in Anspruch genommen werden. Der Elternurlaub wurde anhand einer pauschalen Vergünstigung bezahlt. Im Jahr 2015 belief sich diese auf rund 1800 Euro pro Monat für einen Vollzeiturlaub.

Nach einer großen Reform im Jahr 2016 wurde der Zugang zum Elternurlaub für Eltern mit unsicheren Arbeitsverträgen erleichtert (Eltern, die 10 und mehr Stunden pro Woche arbeiten, haben nun ebenfalls Anspruch darauf). Außerdem wurde der Zeitraum, in dem der Urlaub genommen werden kann, wurde bis zur Vollendung des sechsten Lebensjahres des Kindes bzw. bis zum zwölften Lebensjahr eines adoptierten Kindes verlängert. Wenn beide Elternteile Anspruch auf Elternurlaub haben, können sie ihn gleichzeitig in Anspruch nehmen. Die Arten des Elternurlaubs wurden von zwei auf sechs Alternativen erweitert: vier oder sechs Monate Vollzeit, acht oder zwölf Monate Teilzeit, acht Stunden Urlaub pro Woche über einen Zeitraum von 20 Monaten oder vier Abschnitte von einem Monat Elternurlaub über einen Zeitraum von 20 Monaten (d. h. der so genannte fraktionierte Urlaub). Das pauschale Elternurlaubsgeld wurde in eine einkommensabhängige Leistung umgewandelt. Die während des Elternurlaubs gezahlte Leistung (Lohnersatz) wird auf der Grundlage des Einkommens und der durchschnittlich geleisteten Arbeitsstunden während des 12-Monats-Zeitraums vor Beginn des Urlaubs und der gewählten Urlaubsoption berechnet. Im Jahr 2022 beispielsweise wird die Leistung während des Elternurlaubs (Lohnersatz) auf Grundlage des Einkommens und der durchschnittlich geleisteten Arbeitsstunden während des 12-Monats-Zeitraums vor Beginn des Urlaubs und der gewählten Urlaubsoption berechnet, d. h. Vollzeitbeschäftigte, die die Vollzeiturlaubsoption (sechs Monate oder vier Monate) in Anspruch nehmen, erhalten zwischen 2 508,24 € pro Monat (sozialer Mindestlohn) und 4 180,39 € (um zwei Drittel erhöhter sozialer Mindestlohn) (Berger et al., 2023)."

 

Welche Auswirkungen hatte die Reform der Elternurlaubspolitik 2016?

Marie Valentova: Nach den öffentlich zugänglichen Statistiken (Ministerium für Familie, Integration und die Großregion, 2020) hatte die Reform der Elternurlaubspolitik im Jahr 2016 einen großen Einfluss auf die Inanspruchnahme des Elternurlaubs durch Eltern, vor allem Väter. Die Zahl der Bezieher von Elternurlaub ist zwischen 2016 und 2017 deutlich gestiegen, insbesondere bei den Männern (Anstieg um 28,8 Prozent bei den Frauen und 215,9 Prozent bei den Männern). Im Jahr 2019 wird die Zahl der Männer, die Elternurlaub nehmen, die der Frauen sogar übersteigen.

Aus den Daten geht auch hervor, dass gewisse geschlechtsspezifische Unterschiede bei der Inanspruchnahme des Elternurlaubs hinsichtlich des Zeitpunkts und der Art des Elternurlaubs bestehen bleiben. Die überwiegende Mehrheit der Frauen nimmt den Elternurlaub direkt im Anschluss an den obligatorischen Mutterschaftsurlaub in Anspruch, während die Mehrheit der Männer ihn zu einem späteren Zeitpunkt innerhalb des zulässigen Zeitraums nimmt. Etwa 47 % der Männer, die Elternurlaub nehmen, entscheiden sich für eine geteilte Form (acht Stunden pro Woche oder vier Monatsabschnitte über einen Gesamtzeitraum von 20 Monaten), während nur 12 % der Mütter, die Elternurlaub nehmen, diese Form wählen.

Wie sieht der Elternurlaub in Luxemburg im Vergleich zu anderen Ländern aus? Was sind die Vor- und Nachteile?

Marie Valentova: Aus dem Bericht des International Network of Leave Policies and Network (Koslowski et al., 2021) geht hervor, dass die luxemburgische Politik im Vergleich zu den Elternurlaubsregelungen in anderen europäischen Ländern relativ fortschrittlich und großzügig ist.

Die Hauptmerkmale, die die Elternurlaubspolitik in Luxemburg attraktiv machen und die relativ effiziente Nutzung durch die anspruchsberechtigten Eltern und zunehmend auch durch Väter ermöglichen, sind:

  • die Tatsache, dass der Elternurlaub ein individuelles Recht ist (d. h. sowohl Müttern als auch Vätern unabhängig voneinander zusteht), das nicht zwischen den Eltern übertragbar ist (d. h. ein Elternteil kann seinen Elternurlaub nicht auf den Partner übertragen); 
  • die Lohnersatzraten sind relativ hoch (was Eltern mit höherem Einkommen, d. h. vor allem Väter, dazu motiviert, diese Maßnahme in Anspruch zu nehmen, da ihr Einkommensverlust während des Elternurlaubs durch die Großzügigkeit der Leistung verringert wird).
  • Die Politik ist relativ flexibel und kann sowohl den Bedürfnissen der Eltern als auch denen der Arbeitgeber gerecht werden. Die Arbeitgeber spielen eine wichtige Rolle bei der Umsetzung der Elternurlaubspolitik, vor allem in Form von Teilzeit und fraktionierten Formen. Denn die Anträge von Arbeitnehmern auf Teilzeit- oder fraktionierten Urlaub müssen von ihrem Arbeitgeber förmlich genehmigt werden.

Was die angebotene Dauer des Elternurlaubs betrifft, so können die Eltern zwischen mehreren Optionen wählen, und die durchschnittliche Dauer ist im Vergleich zu anderen EU-Ländern moderat. Aus der wissenschaftlichen Literatur (z. B. Ruhm, 1998) geht hervor, dass die Ergebnisse von Eltern auf dem Arbeitsmarkt in Ländern tendenziell besser ist, in denen der Elternurlaub kürzer als 12 Monate ist, als in Ländern, in denen der Elternurlaub länger ist. Daher kann die moderate Dauer des Elternurlaubs als vorteilhaft für die Position der Eltern auf dem Arbeitsmarkt angesehen werden.

Welche Faktoren spielen eine Rolle bei der Entscheidung von Männern und Frauen, Elternurlaub zu nehmen?

Marie Valentova: Wir können drei Gruppen von Faktoren unterscheiden, die mit der Inanspruchnahme des Elternurlaubs zusammenhängen (Valentova et al. 2022). Faktoren auf Makroebene beziehen sich auf den politischen Kontext eines Landes sowie auf die bestehende Gestaltung der Elternurlaubspolitik. Zu den Mikrofaktoren gehören individuelle und Haushaltsmerkmale wie Bildungsniveau, Einkommen (sowohl das individuelle als auch das relative Einkommen der Partner), Staatsangehörigkeit, Betriebszugehörigkeit, niedrige oder hohe Qualifikation, Alter und Anzahl der Kinder. Zu den Faktoren auf der Mesoebene gehören Merkmale des Arbeitsplatzes wie organisatorische Normen und Einstellungen der Arbeitgeber sowie strukturelle Unternehmensmerkmale wie die Größe des Unternehmens in Bezug auf die Zahl der Beschäftigten, der öffentliche oder private Status, der Wirtschaftssektor, in dem es tätig ist, der Frauenanteil und die Alterszusammensetzung der Beschäftigten.

Internationale Vergleichsstudien zeigen, dass Männer eher Elternurlaub nehmen in Ländern in denen es eine Kombination aus individuellen Urlaubsrechten für jeden Elternteil oder eine Väterquote und ein hohes Niveau an Lohnersatz gibt (Mare und Tremblay, 2019). Des weiteren nehmen Männer eher Elternurlaub wenn sie in frauendominierten Unternehmen, im öffentlichen Sektor, in größeren Unternehmen und in Unternehmen mit vorherrschenden Gleichstellungsnormen arbeiten (Samptleben at al., 2019, Valentova at al., 2022).

Ist die Situation akzeptabel oder gibt es - aus wissenschaftlicher Sicht - Dinge, die geändert werden könnten oder sollten? Mit anderen Worten: Gibt es wissenschaftliche Evidenz für mögliche oder weitere Veränderungen oder Chancen?

Marie Valentova: Die wissenschaftlichen Erkenntnisse deuten darauf hin, dass eine stärkere Inanspruchnahme des Elternurlaubs stark mit der Flexibilität und Großzügigkeit der Elternurlaubspolitik zusammenhängt, sowie mit der institutionellen Kapazität und Bereitschaft der Arbeitgeber, die Politik am Arbeitsplatz effizient umzusetzen. Einen positiven Zusammenhang gibt es ebenfalls mit der Bereitschaft und Präferenz der Eltern, vor allem der Väter, diesen Elternurlaub in Anspruch zu nehmen.

Wie bereits erwähnt, hat die bisherige Forschung gezeigt, dass trotz der rasch zunehmenden Inanspruchnahme des Elternurlaubs in Luxemburg, vor allem durch anspruchsberechtigte Väter, die Inanspruchnahme noch geringer ist, wenn ein Elternteil in einem kleinen Unternehmen oder in bestimmten Wirtschaftssektoren arbeitet. Künftige Forschungsarbeiten könnten daher darauf abzielen zu untersuchen, wie die Urlaubspolitik für diese Arbeitgeber und ihre Beschäftigten erleichtert werden könnte.

Fragen: Dhiraj Sabharwal
Redaktion: Dhiraj Sabharwal

                  Michèle Weber (FNR)

Infobox

Referenzen

Berger, F., Salagean, I., Valentova, M. (2023) ‘Luxembourg country note’, in Blum, S., Dobrotić, I., Kaufmann, G., Koslowski, A. and Moss, P. (eds.) International Review of Leave Policies and Research 2022. https://www.leavenetwork.org/annual-review-reports/

Koslowski, A., Blum, S., Dobrotić, I., Kaufman, G., Moss, P. (2021) 17th International review of leave policies and related research 2021. www.leavenetwork.org/annual-review-reports/review-2021/

Karu, M., Tremblay, D. G. (2018). Fathers on parental leave: An analysis of rights and take-up in 29 countries. Community, Work & Family, 21(3), 344-362.

Ministère de la Famille, de l’Intégration et à la Grande Région. (2020). Rapport d’activité 2019. https://gouvernement.lu/dam-assets/fr/publications/rapport-activite/minist-famille-integration-grande-region/2019-rapport-activite-mfamigr/2019-rapport-activite-mfamigr.pdfl

Uzunalioglu, M., Valentova, M. O’Brian, M, Genevois, A.-S. (2021) When Does Expanded Eligibility Translate into Increased Take-Up? An Examination of Parental Leave Policy in Luxembourg. Social Inclusion. 9(2)

Ruhm, C. J. (1998). The economic consequences of parental leave mandates: Lessons from Europe. The quarterly journal of economics, 113(1), 285-317.

Valentova, M., Amjahad, A., Genevois, A.S., Leduc, K., Maas, R. (2021) L’évaluation Court-terme des résultats de la réforme du congé parental de 2016. Rapport : le Ministère de la Famille, de l’Intégration et à la Grande Région, Available at : https://mfamigr.gouvernement.lu/fr/publications/rapport-etude-analyse/minist-famille-integration-grande-region/rapport-liser.html

Valentova, M., Amjahad, A., Genevois, A.S. (2022) Parental Leave Take-up and its Intensity. Do Partners’ Workplace Characteristics Matter?, Journal of Social Policy, 1-23.

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