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Weltraumtouristen, die in orbitalen Hotels auf die Erde hinabblicken; Bergbaustationen auf Asteroiden, die uns mit wertvollen Mineralen versorgen; Städte auf dem Mars, die autonom funktionieren – an Ideen zur Nutzung des Weltraums mangelt es nicht. Auch wenn vieles noch nach Science-Fiction klingt, ist Weltraumwirtschaft längst zu einem Milliardengeschäft herangewachsen. Doch was hat die Raumfahrt uns bisher konkret gebracht? Wo genau wirft sie wirtschaftliche Erträge ab? Wo steckt sie noch in Kinderschuhen? Was wird bald Realität? Und was wird vielleicht noch lange Zeit Science-Fiction bleiben?

Im Rahmen des Asdteroid-Days der jetzt am Wochenende in Luxemburg stattfindet, haben wir recherchiert und gehen diesen Fragen auf den Grund. Doch zuvor schauen wir kurz darauf zurück, wie alles begann.  

Hier eine kurze Zusammenfassung für Eilige:  

Was die Raumfahrt uns gebracht hat:  

  • Satelliten für Militär, Wissenschaft, Rundfunk, Meteorologie, Navigation: Sie bringen uns Sicherheit, Wissen, Nachrichten, das Wetter, und von A nach B. Außerdem: Tausende von kleinen Satelliten, die das Internet in jeden Winkel der Erde bringen.
  • Erdbeobachtungsprogramme, z. B. zur Sicherheit und Umwelt (Copernicus): Universitäten aber auch Verbände, Vereine, Unternehmen oder Privatpersonen können frei darauf zugreifen und auf Basis der Daten forschen, planen oder eigene Anwendungen entwickeln.
  • Wissen über Erde, Mond, Sonnensystem, Universum, Raumfahrt und Leben im All.  

Wo die Raumfahrt wirtschaftliche Erträge abwirft:  

  • Unternehmen rund um die Satellitenkommunikation
  • Start-Ups und Unternehmen, die mit frei zugänglichen Daten von Erdbeobachtungsprogrammen arbeiten
  • Private Raumfahrt, Transport ins All und Megakonstellationen von Satelliten 

Wo die Raumfahrt noch in den Kinderschuhen steckt:  

  • Tourismus im All für gut Betuchte  

Was bald Realität wird:  

  • Forschungsstation auf dem Mond 
  • Space Mining 

Was noch lange Science-Fiction bleiben wird:  

  • Menschliche Siedlung auf dem Mars 

Blick zurück … der Wettlauf ins All 

Der Zweite Weltkrieg war gerade vorüber, da griffen die beiden großen Blöcke ihrer Zeit nach den Sternen – und machten den Weltraum zur Arena für ihren Wettstreit. Denn in der ersten Phase der noch jungen Raumfahrt drehte sich alles um Prestige. Die USA und die UdSSR wetteiferten um Erstleistungen. Die sollten beweisen, welches System denn nun das überlegenere sei. Geld schien keine Rolle zu spielen. Galt es doch, den Klassenfeind zu übertrumpfen. Den ersten Satelliten, das erste Lebewesen, den ersten Mann, die erste Frau ließen die Sowjets um die Erde kreisen. Sie schickten die erste Sonde auf Kollisionskurs mit dem Mond, fotografierten als Erste dessen Rückseite und landeten als Erste einen ferngesteuerten Rover auf dem Erdtrabanten. Das war im November 1970 und da war das Rennen freilich schon vorüber. Denn die Amerikaner hatten alles unternommen, um nicht im Schatten Moskaus zu stehen. Ihre immensen Bemühungen gipfelten am 16. Juli 1969 mit den ersten Schritten eines Menschen auf einem anderen Himmelskörper. Auch wenn die beiden großen Raumfahrtnationen weiter nach den Sternen griffen, war das Rennen in den Augen der Öffentlichkeit vorbei. Und der Weg für eine wirtschaftliche Nutzung des Alls war geebnet. 

Und jetzt … die Nachrichten, das Wetter und der Verkehr 

Neben militärischen und wissenschaftlichen Satelliten gehören auch die Rundfunksatelliten zum Urgestein der Weltraumnutzung. Der erste wurde 1962 von den USA gestartet. Die UdSSR legten fünf Jahre später ein Übertragungssystem nach, was auf 25 Satelliten ausgebaut wurde. Heute sind es über 70! Rundfunksatelliten fliegen heute meist in Gruppen in knapp 36.000 Kilometern Höhe – dem geostationären Orbit. Das heißt, sie umkreisen die Erde genauso schnell, wie diese für eine eigene Umdrehung braucht. Vom Boden betrachtet stehen die Satelliten deshalb immer an der gleichen Position am Himmel. Auch die Meteorologen bekamen in den 1960 Jahren Unterstützung aus dem Orbit. Seither beobachten über 300 Wettersatelliten die Erde in verschiedenen Spektralbereichen und füttern die Modelle der Meteorologen mit einer wahren Datenflut. Bereits in den ausgehenden 50er-Jahren des vergangenen Jahrhunderts kam eine andere Weltraumnutzung auf – die Satellitennavigation. Zuerst natürlich für das Militär. Das US-amerikanische „Transit“-System wurde über die Jahre von GPS abgelöst. Das hatte mehr Satelliten, war genauer und auch für zivile Anwendungen verfügbar. Heute gibt es mit dem russischen Glonass und dem europäischen Galileo weitere Systeme zur Satellitennavigation. 

Augen auf … die Erde fest im Blick 

Durch Erdbeobachtung aus dem All lässt sich aber nicht nur das Wetter von morgen vorhersagen. Das haben alle raumfahrenden Nationen erkannt und Erdbeobachtungsprogramme gestartet. Eines davon ist das Copernicus-Programm der europäischen Raumfahrtagentur ESA. Das besteht aus sechs verschiedenen Satellitentypen, deren Daten durch land-, luft- und seegestützte Messungen ergänzt werden. Dabei haben sich EU und ESA ein großes Ziel gesteckt: Sie wollen sowohl die Umwelt als auch die Sicherheitslagen global überwachen und die Erkenntnisse mit allen Menschen teilen. Dafür stellt die ESA alle Daten kostenlos zur Verfügung. Behörden, Universitäten aber auch Verbände, Vereine, Unternehmen oder Privatpersonen können darauf zugreifen und auf Basis der Daten forschen, planen oder eigene Anwendungen entwickeln.  

Wer einmal Datenzugriff hat, dem bieten sich unzählige Anwendungsmöglichkeiten. Wo kreuzen Eisberge eine Schifffahrtsroute? Oder welche Meeresströmungen lassen sich nutzen, um Seefracht schneller und mit weniger Treibstoff zu transportieren? Was geschieht an den Grenzen eines Landes? Und was ist mit der Infrastruktur? Senken sich Gebäude ab oder verschiebt sich vielleicht die Basis von Staumauern? Verändert sich die Erdkruste und weist damit auf ein bevorstehendes Erdbeben hin? Das ist nur ein kleiner Auszug aus den Fragestellungen, die sich durch die geballte Datenflut von Erdbeobachtungssatelliten beantworten lassen. Damit sind öffentlich finanzierte Programme wie Copernicus auch ein Motor für eine aufstrebende Startup-Szene. Denn damit lassen sich Geschäftsfelder erschließen, an die heute noch niemand denkt. 

Die sechs Kernbereiche von Copernicus sind übrigens:

  • Landüberwachung
  • Überwachung der Meeresumwelt
  • Dienst für Katastrophen- und Krisenmanagement (EMS)
  • Überwachung der Atmosphäre (CAMS)
  • Klimawandeldienst (C3S)
  • Sicherheit

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Die Kerndienste des Copernicus-Programms

Die sechs Kerndienste sind die zentrale Schnittstelle zwischen Copernicus und seinen Nutzern. Hier fließen alle aufbereiteten Daten zusammen und werden so kombiniert, dass sie den Anwendern größtmöglichen Nutzen bieten. 

Welche Flächen in Luxemburg sind versiegelt? Wo gedeihen und wo brennen die Wälder der Erde? Wie ist das Grundwasser in Afrika verteilt? Und welcher Regenwald hat den höchsten Blattflächenindex? Wer Informationen zur Siedlungsstruktur oder zur Vegetation des Festlandes sucht, wird beim Copernicus-Kerndienst Landüberwachung fündig. Außerdem liefert der Dienst Daten zu Binnengewässern, dem Wasser- und Strahlungshaushalt sowie der Biodiversität. 

Welche Strömungen gibt es im Nordatlantik? Wie sind Temperatur, Salz- und Sauerstoffgehalt im Pazifik verteilt? Welcher Seegang herrscht in der Nordsee und bei welchem Wind? Ist das Nordmeer mit Eis bedeckt und wohin driftet dieses? Oder färben Algen die Karibik großflächig ein? Nicht nur die Schifffahrt, auch Meeresökologen und Küstenschützer finden im Copernicus-Kerndienst Überwachung der Meeresumwelt die Datengrundlage für ihre Arbeit. Dazu werden die Satellitendaten mit Messungen im Meer kombiniert und durch Modellrechnungen ergänzt. 

Für schnelle Hilfe bei Naturkatastrophen oder humanitären Krisen ist ein aktueller und detaillierter Überblick über die Lage essenziell. Welche Gebiete sind vom Hochwasser betroffen? Welche Waldflächen brennen? Wie groß sind die Schäden an Gebäuden und Infrastruktur nach einem Erdbeben? Autorisierte Stellen können im Falle des Falles auf die Daten des Dienstes für Katastrophen -und Krisenmanagement (EMS) zugreifen. 

Stickoxid- und Feinstaubbelastung vorhersagen oder über Monate verfolgen; die Intensität der Sonnenstrahlung auf der Erdoberfläche erfassen oder den Kohlendioxidgehalt der Luft überwachen: Wen Daten zum Zustand der Atmosphäre interessieren, der ist beim Copernicus-Kerndienst Überwachung der Atmosphäre (Copernicus Atmosphere Monitoring Service, kurz CAMS) richtig. Neben Langzeit-Datenreihen und Vorhersagen lassen sich hier auch die Quellen klimarelevanter Treibhausgase identifizieren. 

Wer wissen will, wie sich das Klima aktuell verändert und wohin der Wandel gehen wird, benötigt zuverlässige Datenreihen. Diese soll der Copernicus Klimawandeldienst (C3S) liefern. Die Daten werden wissenschaftlich aufbereitet, lückenlos dokumentiert und einer strengen Qualitätskontrolle unterzogen. 

Werden internationale Abkommen eingehalten? Werden Landesgrenzen verletzt oder geschieht etwas Ungewöhnliches an kritischer Infrastruktur? Der Copernicus-Kerndienst Sicherheit liefert Datenpakete, die helfen, ebendiese Fragen zu beantworten. 

Umstritten … braucht es Menschen im All? 

Während sich der Nutzen von Satellitenkommunikation und Erdbeobachtung in barer Münze zu erkennen gibt und bei Grundlagenforschung ein solcher zumindest für die Zukunft angenommen werden kann, ist er bei der bemannten Raumfahrt stark umstritten. Das geht sogar so weit, dass selbst manchem Raumfahrtenthusiasten bei diesem Thema die Adern an der Schläfe gefährlich hervortreten. Für uns ist das Grund genug, uns das Thema einmal näher anzuschauen. 

Menschen ins All zu schießen, war tatsächlich anfangs nicht wissenschaftlich motiviert. Man tat es, weil man es konnte und das der ganzen Welt – vor allem aber dem Klassenfeind – unter die Nase reiben wollte. Geld spielte dabei kaum eine Rolle. Und davon braucht die bemannte Raumfahrt auch heute noch mehr als die unbemannte. Sicher sind Raumfahrer toughe Leute. Aber auch sie müssen atmen, essen, trinken und vor Strahlung geschützt werden. Roboter sind da genügsamer. Auch gab es in der Vergangenheit kaum ein Experiment im Weltraum, das von einer Maschine nicht auch hätte ausgeführt werden können. Vielleicht mit Ausnahme der medizinischen Versuche. Doch die – so die Kritiker – würde ja wiederum nur der bemannten Raumfahrt selber dienen. Noch ein Argument dagegen: Wenn irgendwo Mittel gekürzt werden, dann müssen unbemannte Missionen zugunsten der bemannten Federn lassen. Und mittlerweile wird auch die Klimakarte ausgespielt, wenn es gegen die bemannte Raumfahrt geht. Denn der Klimaschaden stünde in keinem Verhältnis zum Nutzen. 

Auf der anderen Seite hatten bemannte Mission schon immer eine höhere Strahlkraft als ein schnöder Sondenstart. Und Menschen zu faszinieren, sie zu einer bestimmten Ausbildung, Berufswahl oder Unternehmensgründung zu motivieren, kann man durchaus als Pro-Argument für die bemannte Raumfahrt gelten lassen. Und die Technologie, Menschen in einer so lebensfeindlichen Umgebung wie dem Weltraum sicher zu beherbergen, könnte vielleicht auch auf der Erde nützlich sein. Sagen Befürworter. Ein schlagkräftiges Argument dafür ist aber erst seit kurzer Zeit auf der Bildfläche erschienen: Es gibt Menschen, die wollen einfach ins Weltall fliegen. Und sie können es sich leisten. Denn mit Online-Bezahldiensten, Online-Handel oder in der Musikindustrie haben sie Milliarden verdient. Anders als staatliche Agenturen sind sie keinem Wähler Rechenschaft schuldig. Deshalb können sie sich ihren Traum verwirklichen. Und daraus beginnen langsam Geschäftsmodelle zu keimen, die noch vor wenigen Jahren als Science-Fiction abgetan wurden. 

Aufbruchstimmung … NewSpace hat die Bühne betreten 

Das ist quasi so etwas wie die Geburtsstunde des NewSpace. Was das ist? Dazu müssen wir noch mal in die Vergangenheit schauen. Lange Zeit war der Weg ins All den staatlichen Raumfahrtagenturen vorbehalten. Um diese herum entstand eine Industrie aus milliardenschweren Raumfahrtkonzernen. Die erhielten staatliche Aufträge, deren Wert das Bruttosozialprodukt manch kleinen Landes übertreffen konnte. Das ist, was heute als OldSpace bezeichnet wird. Und wenn man einen Namen für „das Alte“ findet, muss es auch was Neues geben. Und das ist eben NewSpace. Das steht wahlweise für die private Raumfahrt allgemein oder für eine damit verbundene Haltung zu Raumfahrtprojekten. Denn wenn staatliche Budgets allenfalls über Aufträge angezapft werden können und wenn Konkurrenten ähnliche Dienste bieten, dann zählt Wirtschaftlichkeit plötzlich auch im Weltraum. Zu den bekanntesten Vertretern des NewSpace dürften wohl Elon Musks SpaceX, Jeff Bezos‘ Blue Origin und Richard Bransons Virgin Galactic gehören. Doch abseits der ganz großen Namen gibt es heute noch sehr viel mehr Unternehmen, die den Weltraum zu ihrem Geschäftsmodell erkoren haben.  

Ein Geschäftszweig, bei dem sich vor allem einer der Großen hervortut, ist der Transport ins All. So versorgt SpaceX mittlerweile die Internationale Raumstation ISS mit Ausrüstung und bringt als „Space Taxi“ auch die Besatzung zu ihrem Arbeitsplatz in den Orbit und wieder zurück. Auch im Geschäft um den Start von Satelliten ist das Unternehmen vorn mit dabei. Hier hat es schon im Jahr 2017 die Führung vom damaligen Marktführer Arianespace übernommen. Und schon längst begnügen sich die NewSpace Firmen nicht mehr mit der Rolle als „orbitale Spediteure“, sondern bringen eigene Frachten ins All und bauen eine eigene Infrastruktur auf. Megakonstellation ist das Schlagwort der Stunde und steht für Tausende von kleinen Satelliten, die in niedrigen Höhen um den Globus kreisen und das Internet in jeden Winkel der Erde bringen. Starlink nennt SpaceX sein Projekt, das aktuell über mehr als 6.200 aktive Satelliten im All verfügt. Gut 30.000 könnten noch folgen. Und das sind nicht die Einzigen. Auch der Online-Handelsgigant Amazon will beim Internet aus dem All mitmischen. Nach erfolgreichem Start zweier Prototypen nähert sich der Test der Satelliten des Projekts Kuiper langsam ihrem Ende. In der Endstufe sollen über 3.200 Satelliten bestehen. Während die einen noch ausbauen, ist es für die anderen schon wieder vorbei. So hat das Londoner Unternehmen OneWeb im März 2020 Konkurs angemeldet. 

Die amerikanischen Investmentbanker von Morgan Stanley haben sich einmal die Weltraumwirtschaft vorgenommen. Für das Jahr 2016 schätzten sie deren Volumen auf rund 350 Milliarden US-Dollar. Es wird angenommen dass es sich bis zum Jahr 2040 verdreifachen wird (siehe Infobox). 

Interessant wird es übrigens mit dem Weltraumschrott werden. Je mehr Satelitten sich da oben herumtümmeln, desto schwerwiegender wird das Problem...(siehe Infobox).

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Über den Wolken muss der Umsatz wohl grenzenlos sein

Treibende Kräfte fèur den grossen Umsatz der Weltraumwirtschaft waren neben den Bodensegmenten, also dem Netzwerk der verschiedenen Bodenstationen, mit denen Satelliten betreut werden, auch die Raumfahrtprogramme der staatlichen Agenturen und das Fernsehen via Satellit. Im Jahr 2040 soll das laut der Analysten etwas anders aussehen. Mit über einer Billion US-Dollar soll sich das Volumen der Weltraumwirtschaft dann verdreifacht haben. Das Satelliteninternet soll dann mit mehr als 400 Milliarden der größte Treiber sein. Danach sollen den Schätzungen zufolge das Bodensegment, die Regierungsaufträge und das Fernsehen kommen. Dass Kommunikationssatelliten tatsächlich eine treibende Kraft sind, zeigt ein Blick in die Statistik. Während sich die Zahl der im erdnahen Orbit ausgesetzten Kommunikationssatelliten zwischen 2011 und 2016 jeweils kleiner als 20 pro Jahr war, stieg sie danach sprunghaft an. 2017 waren es 80, ein Jahr später „nur“ 64, 2019 dann bereits 151 und 2020 wurde mit 997 knapp die Tausendermarke verfehlt. Beinahe so viele Satelliten schickte ein Jahr später allein SpaceX ins All, nämlich 989 im Jahr 2021. Zu denen gesellten sich 2022 nochmal 1.722 und 2023 1.984- In diesem Jahr startete SpaceX bis Ende Mai bereits 878 seiner Starlink Satelliten. 

Houston, wir haben ein Müllproblem

Als Sputnik 1 am 4. Oktober 1957 vom sowjetischen Sternenstädtchen Baikonur aus ins All startete, war er der erste menschengemachte Begleiter unseres Planeten. Doch das sollte nicht lange so bleiben. Bis heute wurden über 18.400 Satelliten in den Erdorbit befördert. Mehr als 12.540 befinden sich noch immer dort. Rund 9.800 davon sind aktuell in Betrieb. Der Rest ist Schrott und kreist entweder im Friedhofsorbit weit weg von den anderen Satelliten um die Erde oder wird gezielt in die Atmosphäre gelenkt, um dort zu verglühen. Für manche Satelliten trifft aber beides nicht zu. Dann gesellen sie sich zu den geschätzten 36.500 künstlichen Objekten größer als zehn Zentimeter, die um die Erde herumvagabundieren. Zum Beispiel ausgebrannte Raketenstufen oder beim Weltraumspaziergang verlorene Ausrüstung. Hinzu kommen gut eine Million Objekte zwischen einem und zehn Zentimeter und etwa 130 Millionen kleinste Stücke Weltraummüll – zum Beispiel Lacksplitter. Zusammengenommen ist der Müllberg im All mittlerweile auf mehr als 10.000 Tonnen herangewachsen. Und wird zunehmend zum Problem. Denn aufgrund ihrer hohen Geschwindigkeit werden selbst kleinste Teile zu gefährlichen Geschossen. Bei einer Kollision mit einem Satelliten nimmt dieser schweren Schaden. Größere Objekte sind auch in der Lage, die Internationale Raumstation ernsthaft zu gefährden. Zum Glück kann diese einer drohenden Kollision ausweichen, weshalb die Bahnen größerer Stücke Weltraummülls ständig überwacht werden. Aber auch auf der Erde wird Weltraumschrott zum Problem. Was in niedrigen Umlaufbahnen fliegt, wird nach Gebrauch gezielt zum Absturz gebracht. Und verglüht in der Atmosphäre. Doch manche Teile sind einfach zu groß dafür. Raketenstufen, Satelliten und sogar ganze Raumstationen werden durch die Reibung mit der Atmosphäre auseinandergerissen. Damit die Teile niemanden gefährden, werden sie – wenn möglich – im „Raumschifffriedhof“ in der Mitte des Pazifiks versenkt. Das Interessante daran: Die dem „Raumschifffriedhof“ nächstgelegene „Siedlung“ ist die Internationale Raumstation. Sie trennen „nur“ rund 400 Kilometer von der letzten Ruhestätte ausgedienter Raumfahrzeuge. Die nächste irdische Siedlung ist etwa 2.000 Kilometer entfernt. 

Blick nach vorn … was die Zukunft bringen mag 

Noch steckt der Tourismus ins All in seinen Kinderschuhen. Wer viel Geld hat, kann sich mit einer Rakete bis an die Grenzen des Weltraums schießen lassen, dort ein paar Minuten Schwerelosigkeit erfahren und dann wieder zur Erde zurückfallen. Solche Suborbitalflüge bieten Jeff Bezos‘ Blue Origin und Richard Bransons Virgin Galactic bereits an. Ein Ticket bei Letzterem ist ab 450.000 Doller zu bekommen. Für eine ganze Stange mehr Geld geht es in den Erdorbit. Der erste „Orbitaltourist“ Dennis Tito flog für 20 Millionen US-Dollar mit der russischen Sojus-Kapsel zur Internationalen Raumstation ISS. Mittlerweile hat auch Elon Musks SpaceX erfolgreich Touristen in die Erdumlaufbahn gebracht. Doch das soll nicht das Ede der Fahnenstange sein. Der Mond ist das nächste Ziel. Nicht nur auf dem Reiseplan gut betuchter Touristen. Auch die Raumfahrtnationen wollen auf den Erdtrabanten zurück. Und sich diesmal dort auch häuslich einrichten. Eine Station im Mondorbit soll den Anfang machen. Stationen auf der Oberfläche später folgen. 

Doch der Mond ist nur ein Etappenziel auf dem Weg zum Mars. Während die großen Agenturen ihn erst einmal besuchen wollen, denkt Elon Musk schon lange an eine permanente Besiedlung. Dass allein die Logistik eine wahre Herkulesaufgabe ist, um solche Projekte zu stemmen, haben die großen Visionäre längst auf dem Schirm. Anstatt Ausrüstung und Versorgungsgüter von der Erde zu starten, denken manche bereits über eine Weltraumwirtschaft nach. Denn Rohstoffe lagern im All zuhauf. Und auch wenn Edelmetalle und seltene Erden locken – der wahre Schatz da draußen ist das Wasser. Denn das ist essenziell. Aufbereitet als Gebrauchs- und Lebensmittel und in seine Bestandteile zerlegt als Raketentreibstoff und Rohstoff für chemische Verfahren. Der Rohstoffabbau auf dem Mond und auf den Asteroiden wird deshalb heute intensiv diskutiert, und ist auch ein Ziel der Initiative SpaceResources.lu. Wer mehr über das Thema wissen will, dem sei die Ausstellung „Asteroid Mission“ des Nationalmuseums für Naturgeschichte wärmstens ans Herz gelegt, die sich noch bis 18.08.2024 den Kleinkörpern im Sonnensystem widmet. 

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No pain, no gain. Oder: Nicht jedes Unterfangen gelingt

Dass die Eroberung des Weltalls kein Zuckerschlecken ist und dabei auch so mancher auf der Strecke bleibt, mussten bereits einige der beteiligten Unternehmen erfahren. Eines davon war das texanische Unternehmen Shackleton Energy. Das wollte Wassereis auf dem Mond abbauen, in Treibstoff umwandeln und damit eine Satellitentankstelle im Erdorbit betreiben. Etwa 25 Milliarden US-Dollar veranschlagte das Unternehmen, um das Projekt umzusetzen. Mit Crowdfunding sollten die ersten Schritte bezahlt werden. Doch von den erhofften 1,2 Millionen US-Dollar kamen nur 5.517 zusammen. Das war 2011. Seither ist es still um das Unternehmen geworden. 

Das zeigt: Damit die kühnen Pläne von der Eroberung des Weltalls Wirklichkeit werden können, ist vor allem eines essenziell: jede Menge Geld. Das spürte auch Planetary Ressources, das amerikanische Unternehmen in das Luxemburg viele Millionen Euro investierte. Nachdem bereits 2017 eine Finanzierungsrunde scheiterte, folgten erst der Personalabbau und 2018 die Übernahme durch das Blockchain-Unternehmen ConsenSys. Im Jahr 2020 wurden dann die letzten Reste der Ausrüstung versteigert. Und auch für Deep Space Industries ist 2018 zum Schicksalsjahr geworden. Der zweite große Name im Run auf die Ressourcen des Sonnensystems, das sich im Rahmen der Space Resources.lu Initiative in Luxemburg niederliess,  ist seit 1. Januar 2019 Teil des Raumfahrtunternehmens Bradford Space Inc. Dass der Asteroidenbergbau zumindest langfristig ein Ziel sein könnte, schloss der neue Eigentümer von Deep Space Industries in einer Erklärung zur Übernahme zwar nicht aus, doch wolle man die Dinge Schritt für Schritt angehen. 

Wild, Wild West. Oder: Wem gehören die Schätze im All?

Der Weltraumvertrag aus dem Jahr 1963 soll nicht nur verhindern, dass einzelne Staaten einen Himmelskörper in Besitz nehmen, er soll auch jegliche militärische Nutzung insbesondere die Stationierung von Atomwaffen im All verhindern. Bis heute haben 107 Staaten den Vertrag ratifiziert. Ob private Unternehmen kommerziellen Bergbau im All betreiben dürfen, ist nicht explizit geregelt und wird je nach Interessenlage unterschiedlich ausgelegt. 

Diesen Missstand sollte der Mondvertrag aus dem Jahre 1979 beheben. Unter dessen Regelungen fallen neben Staaten auch Privatleute und Unternehmen. Kern des Vertrags ist die Nutzung der Ressourcen zum Wohle der gesamten Menschheit. Jeglicher kommerzielle Bergbau müsste demnach von der UNO und ihrem Generalsekretär genehmigt werden. Dass sich vor allem die Raumfahrtnationen auf eine solche Regelung nicht einlassen würden, war aus heutiger Sicht eigentlich zu erwarten. Lediglich 21 Staaten der Weltgemeinschaft setzten ihre Unterschrift unter das Werk, 17 von ihnen ratifizierten es dann auch noch. 

Als heftigster Gegner einer gerechten Verteilung der Ressourcen des Sonnensystems beschlossen die USA im Jahre 2015 ihr eigenes Weltraumgesetz, den Space Act of 2015. Dieses erlaubt US-Bürgern die kommerzielle Ausbeutung extraterrestrischer Ressourcen. Eine Inbesitznahme eines Himmelskörpers durch die Vereinigten Staaten soll es nach dem Gesetz aber nicht geben. Vor allem Planetary Ressources und Deep Space Industries waren mit Lobbyarbeit am Gesetz beteiligt. Inwieweit der Space Act den Weltraumvertrag verletzt, ist nicht abschließend geklärt. 

Luxemburg verabschiedete dann im Jahr 2017 sein eigenes Gesetz über die Erforschung und Nutzung von Weltraum-Ressourcen. Mit diesem Weltraumressourcengesetz regelt das Großherzogtum, wie mit den Rohstoffen im All umgegangen werden darf. Nur Unternehmen nach luxemburgischem Recht oder solche mit einem Sitz hier im Land bekommen von diesem eine Genehmigung. Vorangetrieben hatte das Gesetz die Regierungsinitiative Space Ressources. Zu diesem Verbund gehören auch Planetary Ressources und Deep Space Industries. 

Autor: Kai Dürfeld, Science RELATIONS
Redaktion und Lektorat: Michèle Weber, Jean-Paul Bertemes (FNR)

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