© Uwe Hentschel
So wichtig und bedeutend der höchste akademische Grad für die Wissenschaft auch ist: Bewegt man sich außerhalb der Bildungs- und Forschungseinrichtungen, kann einem die Doktorwürde durchaus zur Last werden. Nicht selten werden hochausgebildete Akademiker als Fachidioten abgestempelt. Als weltfremde Elfenbeinturmbewohner, denen auf ihrem Gebiet vielleicht keiner etwas vormacht, die aber ansonsten auf dem Arbeitsmarkt nur schwer zu integrieren sind. In den meisten Fällen dürfte das nur ein Vorurteil sein, doch hält es sich in der Gesellschaft hartnäckig.
Im Extremfall führt das sogar dazu, dass Akademiker bei der Jobsuche ihren Doktorgrad verschweigen, um so die Erfolgsaussichten ihrer Bewerbung zu steigern. Einen solchen Fall persönlich erlebt habe sie zwar noch nicht, doch dass es so etwas gebe, zum Beispiel bei Ingenieurberufen, könne sie sich durchaus vorstellen, sagt Tonie van Dam. Die Professorin für Geodäsie war bis November 2018 Vize-Rektorin für Doktorandenausbildung und –training an der Universität Luxemburg.
Vom Konfliktmanagement bis zum Ausloten der eigenen Karrieremöglichkeiten
Das Doktorandentraining der Uni ist in drei Bereiche eingeteilt. Neben dem „Doctoral Programmes“ mit speziellen Angeboten für die jeweiligen Forschungsbereiche gibt es des weiteren noch den sogenannten „University of Luxembourg Incubator“, der den Doktoranden unternehmerische Fähigkeiten - beispielsweise zur Gründung von Start-Up-Unternehmen - näherbringt. Dritte Säule des Ausbildungsangebots ist schließlich das „Transferable Skills Training“, also die Vermittlung von Fähigkeiten, die sowohl für die Promotion als auf die weitere berufliche Entwicklung von Bedeutung sind. Hierbei spielt es in der Regel keine Rolle, in welchem Forschungsbereich die Doktorandenausbildung absolviert wird.
Das Angebot des Transferable Skills Training ist entsprechend breit gefächert. In einigen Kursen lernen die Teilnehmer etwas über Zeitmanagement oder aber den Umgang mit Stress, in einem weiteren geht es um Konfliktmanagement, ein Angebot befasst sich mit dem Ausloten der eigenen Karrieremöglichkeiten und wieder ein anderes vermittelt die Grundlagen des Unterrichtens. Insgesamt 16 verschiedene Kurse wurden im nun auslaufenden Semester angeboten.
Trainingsprogramm hilft dabei, in Luxemburg Fuß zu fassen
„Wir hatten in diesem Jahr erstmals auch einen mehrtägigen Kurs zur Einführung in die Unternehmensgründung, der sehr gut ankam“, sagt van Dam. Gerade für Luxemburg sei das ein Thema, das zunehmend an Bedeutung gewinne, erklärt die Vize-Rektorin. „Viele gründen nach ihrer Promotion ihr eigenes Unternehmen“, so van Dam. Und durch die Teilnahme am Training bekämen die Teilnehmer mitunter einen ganz anderen Blick auf ihr Vorhaben. „Ein Großteil derer, die in Luxemburg studieren und promovieren, möchte im Anschluss gerne im Land bleiben“, sagt sie. Das Trainingsprogramm helfe dabei, in Luxemburg Fuß zu fassen.
Doch längst nicht jeder hat den Wunsch oder die Möglichkeit, nach der Promotion sein eigenes Unternehmen zu gründen. In diesem Fall muss also zunächst der potenzielle Arbeitgeber überzeugt werden. Und den interessiert neben allen fachlichen Kompetenzen natürlich auch, ob der Bewerber teamfähig, kommunikativ und in der Lage ist, ein Projekt zu leiten - alles Fähigkeiten, die im Training vermittelt werden. „Wir orientieren uns an Best-Practice-Beispielen anderer Einrichtungen“, sagt die Professorin und nennt als Vorbilder britische Universitäten oder aber die Technische Universität München.
Rund 150 Doktoranden nutzen derzeit das Angebot
Wie viele Teilnehmer nach ihrer Promotion der Wissenschaft weiter erhalten bleiben oder aber in die Freie Wirtschaft wechseln wollen und wie hoch in beiden Fällen die Erfolgsquote ist, dazu gebe es derzeit noch keine Zahlen, sagt van Dam. Das Angebot existiert seit fünf Jahren. „In ein paar Jahren werden wir sehen, was es bewirkt hat“, erklärt sie.
Wobei die Wirkung auch stärker wäre, wenn dieser für die Doktoranden völlig kostenlose Service noch mehr genützt würde. So nehmen von den derzeit 700 Doktoranden der Uni Luxemburg aktuell gerade mal 150 an dem Transferable Skills Training teil. Und das obwohl es für die Teilnahme an den Veranstaltungen auch ECTS-Punkte gibt (siehe Infobox). Es ist also noch Luft nach oben. Doch van Dam zeigt sich zuversichtlich: „Es braucht eben seine Zeit, bis sich ein solches Angebot etabliert hat.“
Im November 2018 hat Prof. Jens Kreisel, Vize-Rektor für Forschung an der Universität Luxemburg, die Doktorandenausbildung und –training übernommen.
Autor: Uwe Hentschel
Infobox
Das ECTS (European Credit Transfer System) ist ein europäisches System zur Anrechnung von Studienleistungen. Es weist allen Bestandteilen eines Studienprogramms eine bestimmte Punktzahl zu, die sich aus dem vom Studierenden zu erbringenden Arbeitsaufwand ergibt. Ein Leistungspunkt entspricht 25 bis 30 Lernstunden oder -aktivitäten. Auf diese Weise ermöglicht es eine bessere Vergleichbarkeit der einzelstaatlichen Studienprogramme auf gesamteuropäischer Ebene und stellt damit neben dem Studienabschluss ein zusätzliches Hilfsmittel dar. Es erleichtert so den Wechsel zwischen internationalen Einrichtungen. Wie beim Bachelor und Master wird auch für die Promotion eine bestimmte Zahl an ECTS-Punkten verlangt.