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Kurz oder lang, glatt oder lockig, blond, braun, schwarz, rot, gebleicht und grün gefärbt - Haare gibt es in unendlich vielen Varianten. Doch eines haben sie alle gemeinsam: Sie können uns eine Geschichte unserer Umwelt erzählen, Thema Schadstoffbelastung. Dr. Brice Appenzeller und sein Team am Luxembourg Institute of Health sind Spezialisten im Bereich der Haaranlayse: In den Räumen des Laboratory of Analytical Biomonitoring entlocken sie dem Haar die eingespeicherten Informationen.
Einige wenige Strähnchen genügen den Forschern, dann geht es ins Labor. Dort wird das Haar zuerst in seine molekularen Einzelteile zerlegt - das Resultat ist eine Brühe an Stoffen, von denen lediglich ein Milliardstel dem gesuchten Schadstoff-Molekül entspricht! In vielen einzelnen Schritten wird das Gemisch mit Hilfe chemischer Methoden weiter aufbereitet, damit letztlich die Detektion und zahlenmäßige Erfassung des gesuchten Stoffes erfolgen kann.
Die genaue Methodik müssen die Forscher für jeden Schadstoff individuell entwickeln, denn „Haar rein, Resultate raus“, wie im Fernsehen, funktioniert im wahren Leben leider nicht. Jede Analyse konzentriert sich auf einen einzigen Stoff und nur wer genau weiß, was er sucht, kann es auch finden.
Spezialisierung auf vier Giftstoffgruppen
Die Analysen des Teams um Appenzeller befassen sich zum Einen mit den bereits wohlbekannten Giftrückständen, welche Alkohol und Zigaretten hinterlassen. Der Großteil ihrer Untersuchungen gilt jedoch zwei weniger erforschten, aber sehr umfangreichen Schadstoff-Familien: den PAKs (polyzyklische aromatische Kohlenwasserstoffe, siehe Infobox) und den sich ständig ändernden Pestiziden.
Viele dieser Gifte zeigen ihre Wirkung oft erst nach Jahren oder Jahrzehnten, z.B. in Form von Krebs. „Wir müssen im Hier und Jetzt erforschen, welchen Stoffen die Bevölkerung über welche Quellen und in welchen Mengen chronisch ausgesetzt ist,“ so Appenzeller. Erst daraus können die Wissenschaftler folgern, wie die verschiedenen Schadstoffe unseren Körper beeinflussen – Endziel: Gefahren erkennen und eliminieren, ehe körperliche Schäden eintreten.
Der „Schadstoff-Seismograph“
Die Haaranalyse eignet sich perfekt für dieses sogenannte Bio-Monitoring, d.h. die Erfassung und Verfolgung von schädlichen Stoffen in unserem Körper. Sie hat gegenüber den bekannteren Analysen, wie Urin- oder Blut-Tests, einen enormen Vorteil, denn sie ermöglicht eine Messung des Giftpegels über längere Dauer.
Im Blut und im Urin halten sich Giftstoffe nur über einen sehr begrenzten Zeitraum. Bei den Haaren ist dies anders: Je mehr Schadstoffe der Körper enthält, umso mehr Schadstoffe werden von den Blutgefäßen in die Haar-Wachstumszellen transportiert: Dort werden sie in das wachsende Haar eingebaut und konserviert. Genauso wie ein Seismograph Fluktuationen in der Erdbebenstärke aufzeichnet, schreibt sich in den Haaren das Auf und Ab von Schadstoffkonzentrationen nieder.
Autor: Liza Glesener
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