Chambre des Députés

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Am 14. Oktober 2018 werden die neuen Mitglieder der Abgeordnetenkammer gewählt

Das Ergebnis kann einen überraschen. Bei Georg Mein war das der Fall. Der Dekan der Fakultät für Sprach- und Geisteswissenschaften hat es ausprobiert und musste feststellen, dass das Resultat in seinem Fall doch etwas differenzierter war als er es erwartet hatte. „Weil einen die Ergebnisse ein Stück weit zurückwerfen auf die eigenen Überzeugungslagen“, sagt Mein. Und weil diese eigenen Überzeugungslagen eben nicht unbedingt immer die seien, von denen man ausgehe.

Das, was zu diesem Erkenntnisgewinn beigetragen hat, ist die von der Uni Luxemburg gemeinsam mit dem Zentrum fir politesch Bildung (ZpB) entwickelte Plattform smartwielen.lu. Das Angebot soll als Entscheidungshilfe für die Chamberwahlen am 14. Oktober dienen. Nutzer können mit Hilfe dieses Tools herausfinden, bei welchen Parteien und Kandidaten es in bestimmten Fragen zu politischen Themen die größten Übereinstimmungen gibt.

43 Fragen zu Themen aus allen politisch relevanten Bereichen

Auf Grundlage von Parteiprogrammen und Stellungnahmen in den Medien und mit Hilfe von Akteuren aus der Zivilgesellschaft seien in einem ersten Schritt zunächst 180 Fragen gesammelt worden, erklärt Jenny Gross, die beim ZpB für das Projekt zuständig ist. Aus diesen 180 Fragen seien dann letztlich 43 ausgewählt und an sämtliche der bei der Wahl antretenden Parteien und Kandidaten mit der Bitte um Antwort verteilt worden. „Uns war es sehr wichtig, dass bei diesen Fragen keine Partei bevorzugt wird und dass es dabei auch keinerlei Interpretationsspielraum gibt“, sagt Gross.

Sollte die Wochenarbeitszeit ohne Lohnverlust gesenkt, die Grundsteuer erhöht, die Nutzung von Plastikflaschen verboten, Kondome von der nationalen Gesundheitskasse erstattet oder aber der Einsatz Cannabis zum Privatgebrauch legalisiert werden? – Die Fragen aus dem Katalog befassen sich mit allen möglichen, politisch relevanten Themen. Der Nutzer kann entweder mit „Ja“ oder mit „Nein“, mit „Eher ja“ und „Eher nein“ antworten. Und er hat zudem noch die Möglichkeit seine Antwort zu gewichten. Ist ihm eine Frage wichtig, dann zählt diese bei der Auswertung doppelt, ist das Thema eher unwichtig, dann wird sie entsprechend weniger gewertet.

Ermittelt wird die Distanz zwischen der eigenen Meinung und der des Kandidaten

„Am Ende wird dem Nutzer keine Entscheidung abgenommen“, betont ZpB-Direktor Marc Schoentgen. „Es geht dabei lediglich um einen Abgleich politischer Informationen.“ Das Ergebnis sei deshalb auch nicht als eine Wahlempfehlung zu verstehen, sondern zeige nur den mit Hilfe von Algorithmen ermittelten Übereinstimmungsgrad. Nach Ausfüllen des Fragebogens sieht der Nutzer also anhand des Matchings, einer spezifischen Rangliste, wo die Distanz zwischen der eigenen Meinung und der des Kandidaten oder der Partei am kleinsten und der allgemeine Übereinstimmungsgrad damit am größten ist.

Ergänzend zu diesem Matching enthält die Auswertung noch eine sogenannte Smartmap, anhand derer der Nutzer erkennen kann, ob er sich mit seinen Meinungen politisch eher links oder eher rechts befindet und inwieweit seine Ansichten in Richtung Konservativ oder aber Liberal tendieren. Auf dieser zweidimensionalen Smartmap ebenfalls gekennzeichnet sind die Positionen der Parteien und der Kandidaten, sodass der Nutzer sieht, in welchem politischen Umfeld er sich mit seinen Meinungen bewegt.

Plattform soll zur Auseinandersetzung mit Politik beitragen

Einen kleinen Schönheitsfehler aber hat das Angebot. Nämlich den, dass bislang noch nicht alle Kandidaten und Parteien den Fragebogen trotz Aufforderung ausgefüllt haben. „Von den 547 Leuten auf den Listen sind 416 Leute im System“, erklärt Michèle Schilt vom ZpB. Und von diesen 416 hätten zum Zeitpunkt des offiziellen Starts auch erst 280 geantwortet. Sowohl die Parteien als auch die Kandidaten hätten aber nach wie vor die Möglichkeit, ihre Antworten einzureichen, ergänzt Gross. Nicht möglich sei allerdings eine nachträgliche Änderung der abgegebenen Antworten. Damit wollen die Verantwortlichen der Plattform verhindern, dass politische Statements im Nachhinein dem allgemeinen Diskurs angepasst werden.

Für Raphaël Kies von der Uni Luxemburg ist smartwielen.lu eine Art Bildungswerkzeug. „Unser Ziel ist es nicht, die Wähler zu einer bestimmten Wahl zu bewegen, sondern wir möchten sie dazu ermutigen, sich ein umfassenderes Bild von den politischen Parteien und Kandidaten zu machen“, so der Politikwissenschaftler. Es gebe viele Möglichkeiten, sich im Vorfeld der Wahl mit dem Thema auseinanderzusetzen, ergänzt er. Die Plattform Smartwielen diene in diesem Prozess lediglich als zusätzliche Informationsquelle.

Autor: Uwe Hentschel

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