(C) Uwe Hentschel
Das interdisziplinäre Projekt Partizip 2 der Universität Luxemburg untersucht den Demokratisierungsprozess zwischen dem Ersten Weltkrieg und den 80er Jahren: Inwieweit waren bestimmte Bevölkerungsgruppen wie Arbeiter, Migranten, religiöse Minderheiten oder aber Frauen an dieser Demokratisierung beteiligt? Wie wurde die Gesellschaft durch diese Bevölkerungsgruppen, aber auch durch Einflüsse von außerhalb geprägt?
Um die Geschichte Luxemburgs zu verstehen, müsse man sie in einem regionalen, europäischen Zusammenhang sehen, sagt Thorsten Fuchshuber, Projektmitarbeiter bei Partizip 2. Nur so lasse sich herausfinden, was für die Region exemplarisch oder aber für Luxemburg spezifisch sei.
Was sind allgemeine Tendenzen, was ist speziell luxemburgisch?
„Jede demokratische Gesellschaft verfolgt den Grundgedanken der Partizipation“, sagt Renée Wagener, ebenfalls wissenschaftliche Mitarbeiterin des Projekts. In der Praxis funktioniere diese Teilhabe allerdings längst nicht immer. Als Beispiel nennt Wagener die Gleichbehandlung der Frauen. „In Luxemburg hatten Frauen vergleichsweise früh die gleichen Rechte wie Männer“, sagt sie, „doch in der Praxis hat sich diese Emanzipierung nicht bewahrheitet.“ So seien verheiratete Frauen erst in den 70er Jahren mit den Männern gleichgestellt worden.
Wie Fuchshuber erklärt, sind solche autoritären Tendenzen in ganz Europa zu finden. „Und wir wollen herausfinden, was daran spezifisch luxemburgisch ist oder eher einer breiteren gesellschaftlichen Tendenz entspricht.“ Judenfeindlichkeit beispielsweise habe es vor und während des Zweiten Weltkriegs auch in Luxemburg gegeben, sagt der Sozialphilosoph. „Nur hat es hier nicht zu diesem Vernichtungs-Antisemitismus geführt wie in Deutschland.“
Große Einflüsse wirken auf ein kleines Land
Eine Frage, die sie sich in diesem Zusammenhang stelle, sei die, ob für das Wesen einer Gesellschaft die Nationalität entscheidend sei, sagt Fuchshuber. So könne man sich beispielsweise als ein in Luxemburg lebender Jude als Teil der luxemburgischen Gesellschaft fühlen, sich zugleich aber auch auf das Judentum beziehen, erklärt er. Eine andere Frage sei die, mit welchen Argumenten Juden, aber auch andere Bevölkerungsgruppen vom gesellschaftlichen Leben des 20. Jahrhunderts ausgeschlossen worden seien.
Die große Herausforderung des Projekts besteht unter anderem darin, die spezifischen, gesellschaftlichen Entwicklungen richtig zuzuordnen. Und das ist aufgrund der vielen Einflüsse, die bei einem kleinen Land wie Luxemburg von allen Seiten kommen und unterschiedlich stark ausgeprägt sind, ein komplexes Vorhaben. So ist beispielsweise der Prozess der luxemburgischen Nationsbildung von Anfang an immer wieder gefährdet, verzögert oder beschleunigt worden. Sei es durch die völkisch-politische Propaganda der Nationalsozialisten in den 30er Jahren, in der ein Großteil der luxemburgischen Einwohner als Teil der deutschen Volksgemeinschaft betrachtet wurde, oder aber durch die darauf folgende Besatzung während des Zweiten Weltkriegs.
Im Rahmen des Projektes wurde auch ein Video gedreht mit Zeitzeugen des 2. Weltkrieges. Sehen Sie das Video hier.
Autor: Uwe Hentschel
Foto © Uwe Hentschel
Infobox
Das Vorläufer-Projekt Partizip 1 hat sich mit dem Prozess der Demokratisierung in den frühen Jahren des 20. Jahrhunderts befasst. Bei Partizip 2 geht es nun um den Zeitraum zwischen dem Ersten Weltkrieg und den 80er Jahren.