Ben Thuy

© Uwe Hentschel

So sah er möglicherweise aus und das ist davon übrig: Paläontologe Ben Thuy mit einem Modell und den Überresten eines Thyreophora-Dinosauriers

„Es ist, als würde man die lose Seite eines Buches finden“, sagt Ben Thuy. „Man kann die Seite zwar lesen, doch weiß man dann noch lange nicht, zu welchem Buch sie  gehört.“ Ben Thuy ist Paläontologe am Musée national d’histoire naturelle de Luxembourg (MNHN), zu dessen Ausstellungsstücken seit kurzem ein kleiner, ganz besonderer Saurier-Knochen gehört. Gefunden wurde er vor zehn Jahren von zwei Hobby-Paläontologen im Steinbruch bei Rëmeleng.

Dass der Knochen erst jetzt der Öffentlichkeit präsentiert wird, liegt daran, dass Thuy und seine Forschungskollegen zunächst zweifelsfrei herausfinden mussten, zu welchem Tier dieser Knochen gehört. Inzwischen sind sich die Experten sicher. Bei dem Fund handelt es sich nicht etwa, wie zunächst angenommen, um Teile einer Seekatze, sondern um die Überreste eines Thyreophora-Dinosauriers. 

Erst der zweite Nachweis eines Dinosauriers auf luxemburgischem Gebiet

Die Thyreophora, zu dessen bekanntesten Vertretern wohl der Stegosaurier gehört, waren Pflanzenfresser, die vor bis zu mehr als 200 Millionen Jahren gelebt haben. Bei dem hier gefundenen Knochen handelt es sich mit hoher Wahrscheinlichkeit um die Reste eines drei bis vier Meter langen, vor 169 Millionen Jahren gestorbenen Scelidosaurus. 

Für den Paläontologen ist dieser Fund eine Besonderheit. Zum einen, weil es sich hierbei um den erst zweiten Nachweis „echter“ Dinosaurier auf luxemburgischem Gebiet handelt, und zum anderen aufgrund der Seltenheit. „Wir wissen bislang nur vergleichsweise wenig über diese Gruppe aus dem Jura“, sagt der Forscher des MNHN. Und das wiederum sei auch der Grund, warum die Zuordnung des Knochenfunds so schwierig gewesen sei.

Mit hoher Wahrscheinlichkeit ein Scelidosaurus

„Wenn man einen Knochen findet, geht man erst einmal von dem Wahrscheinlichsten aus“, erklärt Thuy. Und deswegen sei man aufgrund des Fundorts, der in Urzeiten unter dem Meeresspiegel gelegen habe, zunächst von einem Wasserlebewesen ausgegangen. Allerdings habe man dazu nichts Vergleichbares gefunden, weshalb man dann weiter nach dem Ausschlussprinzip vorgegangen sei. „Innerhalb eines Skeletts gibt es immer Knochen, die sehr aussagekräftig sind“, sagt der Forscher des Naturkundemuseums. „In diesem Fall wissen wir, dass es sich bei dem Fundstück um ein Osteoderm, also um eine Hautschuppe aus einem Knochenpanzer handelt“, erklärt Thuy. 

Im weiteren Verlauf der Untersuchung sei man dann schließlich zu der Erkenntnis gekommen, dass es sich wohl um die Überreste eines Thyreophora handeln muss, so der Wissenschaftler. Und der wahrscheinlichste Kandidat aus der Gruppe der Thyreophea sei der Scelidosaurus. Mit 100-prozentiger Sicherheit jedoch könne man das auch nach zehn Jahren Forschungsarbeit nicht sagen, erklärt Thuy. Von den allerwenigsten Sauriern sei bislang das komplette Skelett bekannt. In der Regel finde man nur einzelne Knochen, und der Rest werde dann interpretiert, sagt er. „Es ist also durchaus auch möglich, dass dieses Teil zu einer noch völlig unbekannten Art gehört.“ 

Ungewöhnlicher Fundort für ein Landtier

Dass die beiden Hobby-Paläontologen bei ihrer Suche vor zehn Jahren bei ihren Grabungen in einer Tonschicht auf Knochen gestoßen sind, sei an sich nichts Ungewöhnliches, sagt der Forscher. Denn Tongestein sei zum einen sehr weich und zum anderen wenig wasserdurchlässig, weshalb die Chance, dort etwas zu finden, durchaus recht hoch sei. Bemerkenswert sei aber in diesem Fall, dass es sich bei dem Fund um die Überreste eines Landtiers gehandelt habe. 

Wie die Überreste auf den ehemaligen Meeresboden gekommen sind, darüber kann man heute, 169 Millionen Jahr später, nur spekulieren. Wahrscheinlich wurden sie ins Meer geschwemmt – ähnlich wie die Fossilien des Theropoden, die vor einigen Jahren bei Brouch entdeckt wurden und damals der erste Nachweis eines Dinosauriers in Luxemburg waren. „Wir wissen jetzt zumindest, von welchem Buch die Seite ist, die wir gefunden haben“, sagt Thuy. Was allerdings noch fehle, sei der Rest der Geschichte. 

Autor: Uwe Hentschel

Foto: Uwe Hentschel

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