© Uwe Hentschel
Die Auswertung der Sprachaufnahmen ist ein ehrgeiziges Projekt. „Wir sind ja keine Mannschaft von 30 Leuten, sondern wirklich nur ein kleines Team“, sagt Nathalie Entringer und zählt dann die Mitglieder dieses Teams an einer Hand ab. Ein Finger steht dabei für Sara Martin. Sie und Entringer werten im Rahmen ihrer Dissertationen einen Teil des Materials aus. Und da kommt einiges zusammen. Zwar dauert jede Sprachaufnahme nur wenige Sekunden, doch bislang hat das Team bereits rund 160000 Aufnahmen zusammen. Unterm Strich also mehr als 100 Stunden Tonmaterial.
Pimpampel, Millermoler oder Päiperlek?
Gesammelt wurde das Material mit Hilfe der App „Schnëssen – Är Sprooch fir d’Fuerschung“, die das kleine Team am Institut fir lëtzebuergesch Sprooch- a Literaturwëssenschaft der Uni Luxemburg unter der Leitung von Peter Gilles in Zusammenarbeit mit einer schweizer Software-Firma entwickelt hat. Die Funktion ist dabei recht simpel: Der Nutzer gibt zunächst an, in welchem Ort er aufgewachsen ist, beantwortet ein paar wenige Fragen zu seiner Person und legt dann los. Entweder sind es Sätze aus dem Deutschen oder Französischen, die ins Luxemburgische übersetzt werden müssen, oder aber Fragen und Bilder, die der Nutzer auf luxemburgisch beantworten beziehungsweise beschreiben muss.
Die App soll den Forschern dabei helfen, die Sprache in all ihren Facetten zu dokumentieren. Für das Wort Schmetterling beispielsweise gibt es im Luxemburgischen mehrere Ausdrücke, wie Pimpampel, Millermoler oder aber Päiperlek. Durch die räumliche Zuordnung der Sprachaufnahmen und die Altersangaben können die beiden Doktorandinnen untersuchen, inwieweit bestimmte sprachliche Unterschiede auf die Herkunft oder aber aufs Alter der Nutzer zurückzuführen sind. „Manchmal werden verschiedene Wörter verwendet, manchmal gibt es aber nur ganz feine Unterschiede in der Betonung“, erklärt Entringer.
Anonymität der Nutzer wird gewahrt
„Wenn wir zum Beispiel 1500 Aufnahmen zur Übersetzung des Worts Schmetterling haben, dann hören wir uns jede einzelne an und tragen das dann in eine Tabelle ein“, sagt Martin. „Und mit Hilfe dieser Daten können wir dann Karten für einen neuen luxemburgischen Sprachatlas erstellen“, fügt sie hinzu. Wobei die mit der App gesammelten Sprachaufzeichnungen nicht nur der Wissenschaft zur Verfügung stehen, sondern gleichzeitig auch allen Nutzern.
So kann jeder auf der interaktiven Karte nachschauen, aus welchen Orten die anderen Nutzer kommen und sich dann deren Sprachaufzeichnungen anhören. „Wir achten dabei natürlich auf Datenschutz und Anonymität“, betont Entringer. Die Herkunft und das Geschlecht seien die einzigen Informationen, die in der App zu den jeweiligen Aufnahmen übermittelt würden. Alle anderen Angaben dienten lediglich der wissenschaftlichen Auswertung, fügt sie hinzu.
Was das Auswerten der Übersetzungen und das Ausfüllen der Tabellen betrifft, so ist der Zeitaufwand mitunter recht hoch. „Bei manchen Sätzen gibt es fünf oder sechs Aspekte, die wir auswerten wollen“, erklärt Entringer. Und deswegen müssten diese Aufnahmen dann auch mehrfach angehört werden. Wie lange es dauern wird, bis sämtliche Tondateien ausgewertet sind, können die beiden nicht sagen. Sich immer wieder das gleiche Wort oder den gleichen Satz anzuhören, sei sehr spannend, auf Dauer aber auch sehr anstrengend, erklären sie. „Den ganzen Tag kann man das nicht machen“, meint Martin grinsend.
Nach vier Monaten bereits 4000 Nutzer
Fast 6000 Mal wurde die App seit der Veröffentlichung Ende April bislang heruntergeladen. Mehr als 4000 Nutzer haben bereits ein Profil angelegt. Und auch wenn mit der Auswertung viel Arbeit verbunden ist, so freuen sich die beiden Sprachwissenschaftlerinnen über die hohe Resonanz. Damit es den Nutzern nicht langweilig wird, wurde die App inzwischen mit neuen Übersetzungsaufgaben bestückt.
Zudem hat Team-Mitglied Christoph Purschke einen Fragebogen erarbeitet, den die Nutzer über diese App ebenfalls ausfüllen können. Purschke sammelt Daten zur Sprachvielfalt in Luxemburg. Bislang wurden bereits 2000 Fragebögen vollständig ausgefüllt und der bisherige Fragenkatalog kürzlich auch durch einen neuen ersetzt. Eine festgelegte zeitliche Begrenzung gebe es für das App-Angebot nicht, sagt Sprachwissenschaftlerin Martin. „Wir müssen einfach schauen, wie lange die Leute mitmachen.“
Autor: Uwe Hentschel
Foto: Uwe Hentschel
Grafiken: Universität Luxemburg