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Professor Claude Muller, warum stehen Antigen-Schnelltests derzeit so im Fokus der Diskussion?
Antigen-Schnelltests für Sars-CoV-2 sind seit kurzem zugelassen in Luxemburg und bald in größeren Mengen verfügbar. Die Qualität der Tests ist mittlerweile um einiges besser geworden. Antigen-Schnelltests sind vielversprechend, weil sie viel schneller ein Ergebnis liefern als die PCR-Tests. Der Faktor Zeit ist entscheidend für die Bekämpfung der Pandemie. Wenn, wie in manchen Ländern, das Warten auf das Ergebnis des PCR-Tests 5 oder 6 Tage dauert, funktionieren Isolierung, Quarantäne und Back-Tracing nicht mehr. Auch in Luxemburg stoßen wir an unsere Grenzen. Die Idee der Schnelltests ist, diesen Ablauf abzukürzen, indem man an Ort und Stelle – am „Point-of-Care“ – testet und dann innerhalb kürzester Zeit das Ergebnis vorliegen hat. Die getestete Person kann gleich informiert werden und sofort ihre Kontakte benachrichtigen. Das heißt: Die Prozedur, die sonst Tage dauert, ließe sich auf vielleicht eine Stunde abkürzen.
Könnte man also durch Antigen-Schnelltests die Kontaktverfolgung vereinfachen oder verbessern?
Ja, auf jeden Fall, weil man jemand, der gerade positiv getestet wurde, sofort befragen kann mit wem er in den letzten Tagen Kontakt hatte. Den Test und die Benachrichtigung von Kontaktpersonen kann man praktisch in einem Abwasch machen.
Wie schnell liefert so ein Test ein Resultat?
Das dauert üblicherweise etwa 10 bis 30 Minuten.
Wo ließen sich Schnelltests sinnvollerweise nutzen?
Man kann solche Tests gezielt in Situationen einsetzen, wo es darum geht rasch zu erfahren, ob eine Infektion vorliegt oder nicht. In Luxemburg, wo Antigen-Schnelltests künftig auch verwendet werden dürfen, aber auch in anderen Ländern stehen dabei vor allem zwei Anwendungsszenarien im Vordergrund: Etwa in Arztpraxen oder bei Bewohnern von Altenheimen bei entsprechenden Symptomen. Oder bei Besuchern von Krankenhäusern, Alten- und Pflegeheimen oder Sammelunterkünften, noch bevor sie das Gebäude betreten. Bei einem positiven Resultat würde der betroffenen Person der Zugang verwehrt. Oder in Schulen: Eine Schülerin, einen Schüler oder eine Lehrkraft, die positiv getestet wurde, könnte sofort nach Hause geschickt werden. Man kann so also auch viel gezielter vorgehen und schneller reagieren: Man muss weniger Menschen auf Verdacht isolieren, bis das Testergebnis vorliegt.
Anmerkung: In Luxemburg sollen die ersten 75.000 Antigen-Schnelltests in den Notdiensten von Krankenhäusern eingesetzt werden, sowie in den „Centres de consultation“ und Alters- und Pflegeheimen.
Wie funktioniert ein Antigen-Schnelltest?
Typischerweise basieren Antigen-Schnelltests für Coronaviren vom Typ SARS-CoV-2 auf einem Format, das unter Experten als Lateral-Flow Assay oder Immun-Chromatographie bezeichnet wird. Um eine Infektion nachzuweisen, sucht man mit den SARS-COV 2 Schnelltests nach Virusbestandteilen, sogenannten Antigenen. Das Antigen ist typischerweise das Spike-Protein, das sich an der Oberfläche der Coronaviren befindet. Dieses lässt sich in der Körperflüssigkeit, aus der Nase oder dem Rachenraum, nachweisen.
Anmerkung: Bei den Antigen-Schnelltests, die ab Ende November in Luxemburg zum Einsatz kommen, ist das Antigen das sogenannte "N"-Protein ("N" steht für "nucleocapsid"), das sich um das virale Erbgut legt. Laut Gesundheitsministerium sollen für die Antigen-Schnelltests in Luxemburg exklusiv Abstriche aus der Nase entnommen werden.
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„Lateral-Flow Assays oder Immun-Chromatographie-Tests nutzt man bei anderen Infektionskrankheiten üblicherweise zum Nachweis von Antikörpern gegen spezifische Krankheitserreger. So lässt sich entweder die Diagnose einer akuten Infektion stellen oder auch nachträglich eine frühere Infektion erkennen. Tests, die nach dem Lateral-Flow-Prinzip funktionieren und nach Antikörpern suchen, gibt schon lange – zum Beispiel zum Nachweis von Hepatitis-B-Erregern im Blut. Sie werden in vielen Ländern, insbesondere der Dritten Welt, häufig benutzt.
Bei SARS-CoV-2 ist der Antikörpernachweis allerdings nicht für die Diagnose geeignet, weil Antikörper gegen diese Coronaviren erst zu spät gebildet werden. Um dennoch eine Infektion nachzuweisen zu einem Zeitpunkt wo der Patient gerade ansteckend ist, sucht man mit den SARS-COV 2 Schnelltests nach Virusbestandteilen, sogenannten Antigenen, statt nach Antikörpern“, erklärt Prof Claude Muller.
Sind solche Tests neu?
Zum Nachweis von chronischen Infektionen mit Hepatitis B Viren gibt es schon lange Schnelltests, die auf diese Weise Antigene dieser Viren nachweisen. Tests die SARS-COV 2 Antigen nachweisen, sind natürlich noch neu. Die ersten davon wurden im Mai 2020 in den USA zugelassen.
Wie sieht ihre Anwendung konkret aus?
Nach der Entnahme eines Abstrichs aus dem Nasen-Rachenraum wird die Probe in einer kleinen Kanüle mit einer speziellen Flüssigkeit vermengt, die anschließend auf eine handliche Testkassette aufgetragen wird. Dort befindet sich eine Substanz, die sich durch eine biochemische Reaktion verfärbt, wenn SARS-CoV-2-Antigene in der Probe vorhanden sind. Die Färbung zeigt also an, ob der Test positiv oder negativ ist.
Kann jedermann diesen Test bei sich machen?
Im Prinzip ist ein solcher Schnelltest recht einfach zu handhaben. Ziel ist es, dass letztlich tatsächlich jeder den Test selbst zu Hause machen kann. Das würde dann ähnlich ablaufen wie bei einem Schwangerschaftstest mit einem simplen Teststreifen. Darauf werden wir sicher hinsteuern. Dennoch erfordert ein Antigen-Schnelltest gewisse Kenntnisse und Fertigkeiten, vor allem beim Entnehmen der Probe in Nase oder Rachen. Deshalb ist zunächst vorgesehen, dass nur dafür ausgebildetes Fachpersonal den Test machen darf. Das können zum Beispiel Ärzte, Angestellte in einer Arztpraxis oder Pflegekräfte in einem Krankenhaus oder Altenheim sein.
Die luxemburgische Regierung hat zudem kürzlich beschlossen und die rechtlichen Rahmenbedingungen dafür geschaffen, dass auch Apotheker, Psychologen, Psychotherapeuten und Feuerwehrleute für die Durchführung von Antigen-Schnelltests ausgebildet werden können.
Luxemburg wird, zumindest in der ersten Phase, den SARS-COV-2 RAPID ANTIGEN von Roche beziehen.
Prof. Claude P. Muller
vom Department of Infection and Immunity am Luxembourg Institute of Health beschäftigt sich seit 20 Jahren in Europa, Afrika und Asien mit der Überwachung von Viren und ihrer Eindämmung.
Was müsste sich ändern, damit künftig auch eine Anwendung zu Hause möglich wäre?
Ich glaube, die Beschränkung auf das Testen durch medizinisch geschultes Fachpersonal ist eher eine Vorsichtsmaßnahme. Man will zunächst Erfahrung mit den Schnelltests sammeln. Aber ich kann mir vorstellen: Irgendwann wird sich das ändern. Wenn man die Schnelltests künftig auch in Apotheken kaufen kann, wie es jetzt bereits etwa in der Schweiz der Fall ist, werden sich die Kunden nicht mehr nur durch den Apotheker testen lassen. Sie werden eine Testpackung mit nach Hause nehmen und sich dort selbst testen, wenn sie es für notwendig halten.
Anmerkung: Die USA haben heute (am 18.11.) bekannt gegeben, dass sie erstmals Schnelltests für den individuellen Gebrauch freigeben. Quelle ntv: „Der Test des US-Unternehmens Lucira Health erhielt von der Arzneimittelbehörde FDA eine Notfallgenehmigung, ist aber verschreibungspflichtig. Nach einem Abstrich in der Nase soll innerhalb einer halben Stunde ein Ergebnis vorliegen. Laut Herstellerangaben kostet ein Schnelltest umgerechnet rund 40 Euro. "Wir haben den ersten Covid-19-Test genehmigt, der von einem Menschen selbst angewandt werden kann und das Ergebnis zu Hause liefert", sagte FDA-Chef Stephen Hahn. Es sei ein wichtiger Fortschritt bei dem Vorhaben, Tests für alle Bürger zugänglich zu machen.“
Wäre das ein Problem?
Im Gegenteil. Auch wenn nicht jeder den Test perfekt durchführt, wäre das eine gute Sache. Wenn, sagen wir mal, 10 Prozent der Menschen die sich testen, nicht optimal testen, heißt das umgekehrt: 90 Prozent testen richtig. Und wenn unter diesen 90 Prozent vielleicht 20 Prozent sind, bei denen der Test ein positives Ergebnis zeigt, lassen sie sich so isolieren. Das wäre ein wichtiger, wenn nicht sogar entscheidender Beitrag im Kampf gegen die Pandemie.
Mitunter heißt es, weil die Tests nicht 100-prozentig zuverlässig seien, könnten sie die Menschen in falsche Sicherheit wiegen …
Dieses Argument ist aus meiner Sicht wirklich unsinnig. Es ist leider bereits gegen jede sinnvolle Maßnahme – einschließlich der Masken – verwendet worden. Und es wird immer noch verwendet. Man will keine Temperatur messen, weil das angeblich eine „falsche Sicherheit“ gibt. Man wollte anfangs keine Masken, weil sie angeblich eine „falsche Sicherheit“ geben. Und man will aus diesem Grund auch keine Schnelltests in der Hand von Laien. Wir wissen alle: Nichts ist perfekt. Und es ist besser, man tut etwas, auch wenn es gewisse Unsicherheiten gibt, als man tut nichts. Man könnte ja genauso sagen: Wir wollen im Auto keine Bremse haben, weil das eine falsche Sicherheit gibt. Denn dann fahren die Leute zu schnell. Aber das ist doch Quatsch!
Anmerkung: Im Sommer wurde bei der Abgeordnetenkammer eine Petition eingereicht, die die Regierung in Luxemburg dazu auffordert, Corona-Schnelltests für die Anwendung zu Hause zur Verfügung zu stellen. Doch die Petition erhielt nicht die notwendige Zahl von mindestens 4500 Unterstützern. Daher wurde sie nicht für eine öffentliche Anhörung zugelassen und nicht auf den Internetseiten des Parlaments zur Unterzeichnung veröffentlicht.
Wie gut sind die angebotenen Tests?
Das ist eine wichtige Frage, doch die Antwort darauf ist kompliziert. Grundsätzlich muss man unterscheiden zwischen zwei Werten, die unterschiedliche Aspekte der Qualität eines Tests widerspiegeln: Die „Sensitivität“ gibt an, wie viele von den Infizierten mit ausreichend Viruslast detektiert werden. Die „Spezifizität“ gibt an, wie viele von den positiv-getesteten mit SARS-Cov2 infiziert sind. Allgemein denke ich: Dafür, dass Antigen-Schnelltests so handlich und schnell sind, bieten besonders die neueren Produkte eine gute Qualität. Unter den ersten zugelassenen Produkten gab es welche, die nicht besonders gut waren. Da war es vor allem darum gegangen, rasch auf dem Markt zu sein – auf Kosten der Qualität. Ich bin sicher, dass die Tests, die nun in Luxemburg benutzt werden, einem hohen Standard entsprechen – und dass sie entsprechend geprüft wurden.
Allerdings ist die Treffsicherheit von Antigen-Schnelltests allgemein nicht mit der von PCR-Tests zu vergleichen – der bislang üblichen Testmethode, die allerdings auf eine aufwendige Analyse im Labor angewiesen ist.
Anmerkung: Auf der Website des deutschen Bundesinstituts für Arzneimittel und Medizinprodukte findet sich eine Liste aller dem BfArM bekannten Antigen-Tests zum direkten Nachweis von SARS-CoV-2-Erregern. Sie umfasst (Stand 16.11.2020) über 170 Produkte, von denen die Mehrzahl aus China stammt. Die dort angegebenen Werte für die Sensitivität liegen zwischen 82,5 und 98,5, die Spezifizität zwischen 97,0 und 100,0 Prozent. Weblink: https://antigentest.bfarm.de/ords/antigen/r/antigentests-auf-sars-cov-2/liste-der-antigentests?session=1889726592659
Was bedeuten die Merkmale der Sensitivität und Spezifizität genau?
Eine hohe Sensitivität bedeutet, dass entsprechend viele Infizierte mit ausreichender Viruslast tatsächlich detektiert werden und dass es wenig falsch-negative Testergebnisse gibt. Doch es gibt zwei verschiedene Sorten von „falsch negativ“. Zum einen, wenn ein Patient infiziert ist, aber die Viruslast die Detektionsgrenze des Tests noch nicht erreicht hat. Aus klinischer Sicht wäre dann der Test falsch negativ, aber aus Sicht des Testes wäre er nicht falsch negativ. Wo nicht ausreichend Virus ist kann der Test auch kein Virus nachweisen. Erst wenn die Viruslast die Empfindlichkeitsgrenze der Nachweismethode erreicht, kann der Test positiv werden. Wirklich falsch-negativ ist der Test dann, wenn ausreichend Virus in der Probe ist aber irgendetwas verhindert, dass der Test anschlägt.
Das ist sehr wichtig. Beispielsweise möchte man natürlich in einer Situation, wo Besucher in einem Altersheim getestet werden, eine hohe Sensitivität haben. Denn es würde schlimmstenfalls eine einzige infizierte Person ausreichen, die das Virus in ein Altersheim hineinträgt, um dort etliche Erkrankungen auszulösen.
Die Spezifizität ist anders. Da stellt man die Frage: Sind alle, die positiv getestet werden, tatsächlich alle auch positiv? Zum Beispiel: Wenn jemand nicht mit SARS-CoV-2 infiziert ist, sondern mit einer anderen, harmlosen Art von Coronavirus, kann eine sogenannte Kreuzreaktion entstehen. Wegen der Ähnlichkeit der Viren schlägt der Test an, obwohl der Getestete keine gefährlichen Coronaviren in sich trägt. Das wäre ein falsch positives Resultat. Ein Mangel an Spezifizität ist an sich kein Problem, zum Beispiel an der Eingangspforte zu einem Altersheim. Denn falsch positiv getestete Besucher würde man eben nach Hause schicken. Sie müssten sich dann mit dem genaueren PCR-Verfahren noch einmal testen lassen und könnten – wenn dieser Test negativ ausfällt – am nächsten Tag zurückkommen und das Heim besuchen. Das heißt: An der Pforte zu einem Altersheim oder Krankenhaus hat man es lieber, wenn Besucher falsch positiv getestet werden als falsch negativ. Eine möglichst hohe Sensitivität ist also hier wichtiger als eine hohe Spezifizität.
Gibt es auch Situationen, in denen das anders ist?
Wenn Sie einen Test mit geringer Spezifität in einer Situation mit niedriger Prävalenz einsetzen, also wenn nur ein geringer Anteil der Bevölkerung überhaupt infiziert ist, dann werden die meisten positiv Getesteten falsch positiv sein. Das ist ein statistischer Zusammenhang, der nur schwer zu verstehen ist. Er hat damit zu tun, dass sich falsch positive Testergebnisse sich immer auf die negativen Fälle beziehen. Denn nur die können ja falsch positiv sein. Je mehr „Negative“ es in der Bevölkerung gibt, umso so mehr Menschen können potenziell falsch positiv getestet werden. Deshalb ist in einer Situation mit geringem Anteil an Infektionen in der Bevölkerung ein Test mit einer geringen Spezifizität schlecht, da er vor allem falsch positive Resultate hervorbringt. Die Prävalenz des Geschehens wird dann überschätzt. Wenn Sie denselben Test in einer Situation nutzen, wo die meisten Menschen positiv sind, dann spielt eine geringere Spezifizität keine entscheidende Rolle.
Ein weiterer Punkt ist: Sensitivität und Spezifizität sind umgekehrt miteinander korreliert. Das bedeutet: Eine sehr hohe Sensitivität führt zu einer vergleichsweise geringeren Spezifizität – und umgekehrt. Das Entscheidende ist, dass die Tests die richtige Sensitivität und die richtige Spezifizität haben für den Zweck, wo sie verwendet werden. Und „Zweck“ heißt in diesem Fall: die epidemiologische Situation im Land und die Art der Anwendung des Tests. Dazu kommt die Frage der Kosten.
In welcher Größenordnung bewegen sich die Kosten der Schnelltests?
Was genau ein Antigen-Schnelltest kostet, muss sich jetzt zeigen. Ich würde aber sagen: Fünf Euro pro Test wäre ein vernünftiger Preis. Die Bill-und-Melinda-Gates-Stiftung beispielsweise versucht, diesen Preis für solche Tests in Entwicklungsländern hinzubekommen. In Luxemburg werden die Tests aber wohl deutlich teurer sein. Allerdings gibt es üblicherweise spezielle Deals, durch die bei der Abnahme einer großen Zahl von Testeinheiten der Preis deutlich rabattiert wird. Außerdem kommt es darauf an, zu welchem Zweck die Tests verwendet werden. Wenn sie dazu dienen sollen, einen Überblick über die Pandemie-Situation zu liefern, müssen sie keine so hohe Sensitivität haben als wenn es etwa darum, infizierte Personen von Krankenhäusern, Alten- oder Pflegeheimen fernzuhalten. Allgemein gilt: Tests, die eine hohe Qualität bieten, sind teurer als andere.
Für die Sensitivität und Spezifizität der Tests gibt es präzise Angaben der Hersteller. Werden diese Angaben unabhängig überprüft?
Bevor solche Tests von den nationalen Behörden empfohlen werden, werden sie selbst getestet. Das kann im Land geschehen oder in anerkannten Labors innerhalb der EU. Zuständig dafür sind die Zulassungsbehörden für Medizinprodukte.
Anmerkung: Laut Hersteller hat der SARS-COV-2 RAPID ANTIGEN Schnelltest, der zunächst in Luxemburg zum Einsatz kommen wird, eine analytische Spezifizität von 99,68% und eine Sensitivität von 96,52%. In einer unabhängigen Evaluierung des Tests lag die Spezifizität bei 98,53%.
Wie läuft die Messung der Qualitätswerte?
Das ist nicht trivial. Denn die Bestimmung der Qualitätsmerkmale hängt davon ab, welche Proben dafür verwendet werden. So werden Proben, die zwar im PCR-Test positiv sind, aber nur eine geringe Viruslast haben, für einen Antigen-Schnelltest eine schlechtere Sensitivität liefern als Proben mit hoher Viruslast. Es spielt also eine große Rolle, welche Proben verwendet werden, um die Sensitivität festzustellen. Das sind Fragen, die die Zulassungsbehörden prüfen und mit der Herstellerfirma diskutieren müssen.
Lassen sich per Antigen-Schnelltest gezielt aktuell infektiöse Menschen herausfinden?
Ja. Ideal wäre es, wenn die Sensitivität so ist, dass nur Patienten als positiv detektiert werden, die sich gerade in der ansteckenden Phase befinden. Bei Menschen, die sich gerade erst infiziert haben oder bei denen die Infektion bereits weitgehend abgeklungen ist, wäre ein falsch-negativer Befund nicht problematisch. Ein Antigen-Schnelltest von der „richtigen“ Sensitivität kann also sehr viel zur Eindämmung der Pandemie beitragen. Er ist nicht nur schneller als ein konventioneller PCR-Test. Die Sensitivität eines solchen Schnelltests ist mit Sicherheit geringer als die von einem PCR-Test. Wenn also jemand PCR-positiv ist und im Antigen-Schnelltest negativ, dann kann das durchaus akzeptabel sein, wenn die Person nicht mehr infektiös ist.
Können Antigen-Schnelltests die etablierten PCR-Tests ersetzen?
Wegen der Unterschiede in der Nachweisempfindlichkeit sind Schnelltests kein Ersatz für PCR-Tests. Sie sind aber eine gute und sinnvolle Ergänzung, wenn ein rasches Testergebnis gefragt ist. Zum sicheren Nachweis einer Infektion wird ein positives Ergebnis aus einem Schnelltest letztlich durch einen zusätzlichen PCR-Test bestätigt werden müssen.
Der deutsche Virologe Christian Drosten von der Berliner Universitätsklinik Charité hat in einem Beitrag vorgeschlagen, sich in der aktuellen zweiten Welle der Pandemie vor allem darauf zu konzentrieren, infizierte und akut ansteckende Menschen zu identifizieren – und zu isolieren. Sehen Sie das auch so?
Ja, das macht absolut Sinn. Und dabei können die neuen Antigen-Schnelltests eine große Hilfe sein – zum Beispiel, wenn es um darum geht, die Risiken durch sogenannte Superspreader auszuschließen: Personen, die in bestimmten Situationen wie privaten Veranstaltungen viele andere Menschen anstecken. Man könnte etwa, wie es Christian Drosten ebenfalls vorschlägt, die potenziell Betroffenen vorsorglich darum bitten, zunächst auf Kontakte verzichten – und nach ein paar Tagen per Antigentest überprüfen, ob sie (noch) infektiös sind.
Das private Umfeld ist also eine wichtige Infektionsquelle? Was ließe sich da noch tun, um das Risiko zu reduzieren?
Laut der luxemburgischen Gesundheitsbehörde kommen die meisten Infektionen im privaten Alltag vor. Aber gerade dort fehlen Anweisungen und Konzepte, sich zu Hause wirksam zu schützen. Mein Vorschlag ist: Infizierten Menschen, die sich in ihrem Haushalt nicht ausreichend isolieren können, sollte man anbieten, sich in einem Hotel zu isolieren. Und: Wenn jemand infiziert ist, der in einem Haushalt zusammen mit besonders gefährdeten Personen lebt, sollte man auch diesen Personen die Möglichkeit geben, sich für eine gewisse Zeit in einem Hotel im Sinne einer „reversen Isolierung“ zu schützen. Auch hier würden Schnelltests helfen zu erkennen, wann eine Isolation außerhalb der eigenen vier Wände nicht mehr notwendig ist.
Herzlichen Dank für das Gespräch, Herr Muller.
Autor: Ralf Butscher (Science Relations)
Editoren: Jean-Paul Bertemes (FNR), Michèle Weber (FNR)
Dieser Artikel ist Teil einer Serie
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Die zweite Welle der Pandemie durch das Coronavirus SARS-CoV-2 rollt über Luxemburg und fast ganz Europa hinweg. Die Zahl der Infizierten steigt rasch, und das setzt die Testlabore gehörig unter Druck. Sie kommen kaum hinterher, die bei Patienten mit Verdacht auf eine Infektion genommenen Proben zu analysieren. Daher soll nun eine neue Art von Tests für Abhilfe sorgen. In Luxemburg und vielen anderen Ländern sind künftig neben den bislang üblichen PCR-Tests auch Antigen-Schnelltests zum Abklären einer möglichen SARS-CoV-2-Infektion zugelassen. Anders als bei PCR-Tests, die in Speichelproben nach genetischem Material der Viren suchen, sprechen diese Tests auf charakteristische Proteine an, die in der Hülle der Viren enthalten sind.
Zwar haben Antigen-Schnelltests einige Nachteile: So reagieren sie nicht nur auf SARS-CoV-2, sondern auch auf andere, harmlose Arten von Coronaviren. Und sie sind weniger zuverlässig als die bislang standardmäßig genutzten PCR-Tests. Doch dem gegenüber stehen zwei klare Vorteile: Schnelligkeit und Einfachheit. So liegt das Resultat eines Antigen-Schnelltests in der Regel nach etwa 10 bis 30 Minuten vor, und für die Untersuchung der Proben ist keine aufwendige Analyse im Labor erforderlich.
Die Zahl der angebotenen Testprodukte wächst rapide. Das zeigt beispielsweise eine Liste, die das deutsche Bundesamt für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) im Internet veröffentlicht hat. Dort sind – stets aktuell – alle der Behörde bekannten Antigen-Schnelltest-Produkte aufgeführt. Mitte November umfasste die Liste mehr als 170 Artikel. Wenige Tage zuvor waren es noch rund 100 Testprodukte gewesen.
Deren Qualität lässt sich durch zwei statistische Größen bemessen: der Sensitivität und der Spezifizität. Die Sensitivität gibt an, welcher Anteil der Infizierten unter den getesteten Personen auch als solche nachgewiesen werden. Die Spezifizität dagegen beschreibt, welcher Prozentsatz der gesunden Personen auch als gesund erkannt werden. Die von den Herstellern angegebenen Werte dieser beiden Größen liegen zwischen 84,0 und 98,75 Prozent bei der Sensitivität beziehungsweise zwischen 96,70 und 100 Prozent bei der Spezifizität. Allein 34 der vom BfArM aufgelisteten Produkte haben laut Hersteller eine Spezifizität von 100 Prozent, wenn auch mit einer gewissen statistischen Unsicherheit.
Darunter ist auch der Test mit dem Markennamen „Sofia 2 SARS Antigen FIA“ des kalifornischen Unternehmens Quidel. Er war der erste am Markt zugelassene Antigen-Schnelltest. Als er im Mai 2020 von der US- Aufsichtsbehörde FDA die Zulassung für die Vereinigten Staaten erhielt, gab Quidel neben einer 100-prozentigen Spezifität eine Sensitivität von 80 Prozent an. Inzwischen wurde das Produkt offenbar weiterentwickelt und verbessert: Seine Sensitivität beträgt nun 96,70 Prozent. Noch deutlich darüber liegt mit 98,72 Prozent der Wert des in Hinblick auf die Sensitivität besten Tests: „SARS Covid-2 Antigen Rapid Test Kit (Colloidal Gold)“ des chinesischen Herstellers JOYSBIO aus Tianjin. Die geringste Sensitivität weist ein amerikanisches Produkt auf: „Veritor System for Rapid Detection of SARS CoV-2“ der Firma Becton Dickinson and Company aus Sparks im Bundesstaat Maryland. Die geringste Spezifizität bietet „bink COVID-19 Antigen Rapid Test“ von Hangzhou Alltest BioTech aus Hangzhou in China.
Das Qualitätsniveau der meisten Testprodukte auf dem Markt ist recht gut und übertrifft die von Experten als wünschenswert angesehenen Qualitätswerte – mindestens 90 Prozent Sensitivität und 99 Prozent Spezifizität. Dennoch bleiben sie hinter der Verlässlichkeit eines Infektionsnachweises durch einen PCR-Test zurück, deren Anbieter oft für beide Größen mehr als 99 Prozent angeben.
Die meisten Antigen-Schnelltests basieren auf der Untersuchung von Speichelproben aus Nase oder Racheraum. Doch es gibt auch andere Produkte. So bietet das Biotechnologieunternehmen SchBo Biotech aus dem hessischen Gießen seit Kurzem einen Test an, der neben Speichel- auch Blutproben analysieren kann. Das liefert laut Hersteller einen treffsichereren Hinweis auf eine Erkrankung: Denn eine positive Probe von Blutserum zeigt klar, dass die Viren in den Körper eingedrungen sind – während ein positives Testergebnis bei einem Abstrich aus Nase oder Rachen nur belegt, dass sich Spuren der Coronaviren auf den Schleimhäuten befinden. Sensitivität und Spezifizität sind mit 96,77 und 98,94 vergleichbar zu den Werten anderer Antigen-Schnelltests. Allerdings: Während bei Antigen-Schnelltests an Speichelproben das Resultat direkt durch die Verfärbung eines Teststreifens erkennbar ist, nutzt der Test von ScheBo Biotech ein Fluoreszenzeffekt – und der ist nur in ultraviolettem Licht sichtbar.
Weblink zur Liste der Antigen-Schnelltests auf der Homepage des BfArM: