Omicron Pandemie

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Binnen kürzester Zeit hat sich die Omikron-Variante des Coronavirus weltweit verbreitet.

  • Pre-Prints zeigen ein einheitliches Bild zur neuen Variante. Und zwar, dass Omikron zu milderen Verläufen führt.
  • Die größte Herausforderung für das Gesundheitssystem ist aktuell vor allem die Höhe der Fallzahlen, bzw dass Omikron so ansteckend ist.
  • Nach dieser Welle könnte Omikron zum Ausweg aus der Pandemie werden – aber noch ist nichts sicher. Überraschungen durch neue Varianten können nicht ausgeschlossen werden.

Binnen kürzester Zeit hat sich die Omikron-Variante des Coronavirus weltweit verbreitet. In vielen Ländern hat sie die Delta-Variante verdrängt und verursacht beispiellos hohe Fallzahlen: Momentan infizieren sich global doppelt so viele Menschen wie je in der Pandemie zuvor.

Und trotzdem schlagen die Forschenden nicht lautstark Alarm, wie in vorherigen Wellen. Vielmehr klingen die Warnungen aus der Wissenschaft dieses Mal etwas verhaltener. Doch auf welche Informationen beruft sich die Wissenschaft überhaupt bei einer derart neuen Variante? Wie verlässlich ist dieses Wissen und welche Aussagen erlaubt es zum weiteren Verlauf der Pandemie?

Eindeutige Mehrheitsmeinung zu Omikron

Da man die Omikron-Variante erst seit rund zwei Monaten kennt, befinden sich viele Studien dazu noch im Pre-Print-Stadium. Das bedeutet, dass sie noch nicht von anderen Forschenden begutachtet und verifiziert wurden. Die Ergebnisse aus einer einzelnen Pre-Print-Studie sind also noch kein Beweis. Trotzdem sei das Bild, das die jüngsten Studien beispielsweise aus England und den USA zeigen, klar, sagt der Luxemburger Epidemiologe Joël Mossong: «Die Daten, die bis jetzt zur Verfügung stehen, deuten alle in die gleiche Richtung.» Demnach ist die Wahrscheinlichkeit, dass man an Omikron schwer erkrankt, im Vergleich zu Delta kleiner. Schon jetzt ist dies die eindeutige Mehrheitsmeinung zu Omikron. Ebenso hat sich bereits gezeigt, dass die neue Variante deutlich ansteckender ist.

Qualitativ – also den Unterschied zwischen Omikron und Delta beschreibend – lässt sich diese Aussage zur Gefährlichkeit der neuen Variante jetzt bereits machen. Quantitativ – also in genauen Zahlen ausgedrückt, etwa wie viel ansteckender – dürfte eine Beurteilung allerdings noch eine Weile schwierig bleiben.

Was noch nicht gewusst ist: in welchem Maße Omikron ansteckender ist und weniger krank macht

 «Es ist kaum möglich, eine Delta-Situation mit einer Omikron-Situation unter denselben Umständen zu vergleichen», führt der Schweizer Infektiologe Hansjakob Furrer aus. Denn jede Welle startet mit einer neuen Ausgangssituation: Impfstatus, Schutzmaßnahmen und Verhalten der Bevölkerung sind stetig im Wandel. Für einen direkten Vergleich kann man daher höchstens versuchen, identische Bevölkerungsgruppen in verschiedenen Wellen gegenüberzustellen. «Doch damit verliert man sofort auch Genauigkeit, da man einen Großteil des Datensatzes ausschließen muss, was die Unsicherheit vergrößert», gibt Furrer zu bedenken. Langsam kristallisiert sich jedoch heraus, dass Omikron nur rund ein Drittel so viele Hospitalisierungen verursacht wie die Delta-Variante, wie unter anderem eine Studie aus Schottland zeigt.

Weshalb sind die Verläufe bei Omikron milder?

«Die Daten aus den epidemiologischen Beobachtungen werden durch Laborbeobachtungen bestätigt, die biologische Gründe für das veränderte Verhalten des Virus liefern», so der Epidemiologe Mossong.

Infektiologe Furrer bestätigt: «Die Abstrich-Tests bei unseren Patientinnen und Patienten weisen eine deutlich höhere Virenanzahl im oberen Rachentrakt aus. Das bedeutet, dass beim Atmen, Husten oder Sprechen mehr Viren austreten.» Damit lässt sich die deutlich höhere Ansteckungsrate der Omikron-Variante erklären. Im Gegenzug scheine es so, dass die Viruslast in der Lunge gesunken ist. Das könnte die leichteren Verläufe erklären, denn in der Lunge richtet das Coronavirus die größten gesundheitlichen Schäden an.

Die kommenden Wochen werden schwierig

Im Vergleich zu Omikron verursachten vorherige Varianten immer mehr schwere Krankheitsverläufe – die Trendwende ist daher grundsätzlich erfreulich. Doch für eine Entwarnung ist es noch deutlich zu früh, warnt Mossong: «Omikron wird gefährlich, indem die Variante mehr Leute weniger krank macht.» In anderen Worten: Auch wenn verhältnismäßig weniger Infizierte auf der Intensivstation landen, können es dennoch in absoluten Zahlen zu Viele auf einmal werden, weil die Infektionszahlen so hoch sind.

Die Vorzeichen haben sich allerdings geändert: Im Vergleich zum letzten Winter sind deutlich mehr Menschen dank der Impfung besser vor schweren Verläufen geschützt. «Wir sind an einem Punkt angekommen, an dem die Immunität in der Bevölkerung ausreichen könnte, damit das Gesundheitssystem in den nächsten Wochen nicht komplett kollabiert», sagt Mossong. Dies habe man bereits in Südafrika, Dänemark oder Großbritannien beobachtet.

Dennoch ist die schiere Zahl der Fälle eine große Herausforderung. Am 4. Januar wurden in Luxemburg über 2000 Fälle registriert – das ist mehr als doppelt so viel wie zum Höhepunkt im vorherigen Winter. Konkret bedeuten die hohen Infektionszahlen also vor allem einen hohen Anteil an Beschäftigten, die aufgrund der Erkrankung ausfallen. Das schadet den Krankenhäusern ebenso wie dem Rest der Arbeitswelt.

«Engpässe in der Arbeitswelt können auch ein Risiko darstellen», gibt Mossong zu bedenken. Während bisher die Auslastung der Intensivstationen das größte Problem darstellte, sei es nun der Personalmangel in der Grundversorgung. «Da müssen wir uns darauf einstellen, dass nicht alles so läuft wie normalerweise.»

Endemie als Ausweg?

Noch einmal wird die Pandemie zur Herausforderung – «Aber das ist eine Frage von wenigen Wochen, vielleicht zwei Monaten», sagt der Epidemiologe Mossong. Doch die Prognosen für die weitere Entwicklung danach sehen besser aus als noch vor zwei Monaten.

Dass sich immer ansteckendere Varianten durchsetzen würden, sah Hansjakob Furrer bereits kommen: «Das Virus, das sich am leichtesten überträgt, wird sich immer durchsetzen.» Dass das Virus damit aber harmloser würde, war jedoch nicht unbedingt abzusehen: Da die meisten Erkrankten erst dann verstarben, wenn die Phase der höchsten Infektiosität bereits abgeklungen war, stellte die höhere Sterblichkeit kein Hindernis für die Virenverbreitung dar. Eine solche Eigenschaft, die für die Vermehrung des Virus keinen evolutionären Nachteil darstellt, entwickelt sich nicht zwangsläufig zurück. «Dass die ansteckendste Variante nun eine ist, die weniger krank macht – da hatten wir Glück», sagt Furrer.

Damit öffnet sich der Weg aus der Pandemie in die Endemie. Darunter versteht man eine Situation, in der eine Krankheit in einer Region fortwährend zirkuliert. Denn nach der Omikron-Welle dürften nur noch wenige weder genesen noch geimpft sein, sind sich viele Fachleute einig. Bleiben künftige Varianten ebenso mild wie Omikron, könnte sich das Coronavirus tatsächlich in die Reihe der stets zirkulierenden Erkältungsviren einreihen, ohne dass das Gesundheitssystem noch einmal so an seine Grenzen stößt wie in der Pandemie.

Weitere Überraschungen mit neuen Varianten bleiben möglich

«Doch etwa alle sechs Monate kommt eine neue Variante, wie wir bisher gesehen haben», gibt Mossong zu bedenken. «Deswegen sollte man die Pandemie nicht zu früh für beendet erklären und auf weitere Überraschungen vorbereitet sein.» Eine neue Variante könnte die Infizierten wieder mehr krank machen, oder noch weniger, den Immunschutz umgehen oder nicht. Man weiß es nicht. 

Dass die Situation im nächsten Winter noch einmal zusätzliche Maßnahmen erfordert, schließt der Epidemiologe nicht aus. Infektiologe Furrer ergänzt: «Es gibt auch Krankheiten wie das Denguefieber, das in manchen Ländern der Tropen endemisch ist. Das ist eine ernste Krankheit, die schwer krank machen kann und tausende von Opfern fordert.» Doch auch wenn erst einmal noch die Hürde der Omikron-Welle überwunden werden muss: Die Vorzeichen auf einen Ausweg aus der Pandemie stehen besser als je zuvor.

Autor: Jochen Tempelmann (Scitec Media)
Editoren: Jean-Paul Bertemes (FNR), Michèle Weber (FNR)

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