(C) Michel Brumat / University of Luxembourg
Selbst erfahrene Lehrer können in Bezug auf die ethnische Herkunft von Schülern ungewollt voreingenommen sein. Dies kann sich auf Entscheidungen auswirken.
Zahlreiche akademische Studien haben ergeben, dass Menschen unter dem Einfluss ihrer Erwartungshaltung „differenzielle“ Urteile und Entscheidungen fällen. Eine Arbeit der Universität Luxemburg zeigt nun, dass eine differenzielle Erwartungshaltung seitens der Lehrer zu Fehlentscheidungen führen kann. Das Forschungsteam hat dies näher untersucht und herausgefunden, dass diese ungewollte Voreingenommenheit fast vollständig überwunden werden kann, wenn die Lehrer an die Verantwortung für ihre Entscheidungen erinnert werden.
Erwartungen können sich auf wichtige Entscheidungen niederschlagen
Aus internationalen Studien (z. B. PISA-Studien der OECD) ist bekannt, dass Schüler, die einer Minderheit angehören, unterdurchschnittliche Leistungen erzielten. Lehrer erleben dies tagtäglich und entwickeln daher möglicherweise gewisse Gruppenerwartungen. Diese Erwartungen können sich auf wichtige Entscheidungen zu den einzelnen Schülern niederschlagen.
Luxemburg beispielsweise verfügt über ein selektives sekundäres Schulsystem, bei dem die Schüler verschiedenen Sekundarschulen mit akademisch mehr oder weniger anspruchsvollen Lehrplänen zugeteilt werden. Die größte ethnische Minderheit sind Portugiesen. In dieser Bevölkerungsgruppe werden tendenziell akademische Leistungen erzielt, die unter dem Durchschnitt liegen.
Bei portugiesischen Schülern nur 67 % der Entscheidungen richtig
Im Rahmen der durch den FNR geförderten Studie wurden erfahrenen Lehrern fiktive Zeugnisse und Profile von Schülern vorgelegt und sie wurden gebeten, jeden dieser Schüler einer geeigneten Sekundarschule zuzuweisen. Die luxemburgischen Schüler wurden in 90 % der Fälle richtig zugeordnet, während bei den portugiesischen Schülern nur 67 % der Entscheidungen richtig waren. Dabei wurden die schulischen Fähigkeiten entweder unter- oder überschätzt.
Anschließend wurden die Lehrer gebeten, ihre Verantwortung für diese Entscheidungen einzuschätzen. Danach wurden sie aufgefordert, weitere Schulzeugnisse zu beurteilen. Bei diesem Durchlauf waren ihre Entscheidungen unabhängig von der ethnischen Herkunft zutreffend.
Unter normalen Umständen geringes Risiko der Voreingenommenheit
„Die Aufforderung an die Lehrer, die Verantwortung für ihr Handeln zu bewerten, hat anscheinend eine reflektiertere Herangehensweise innerhalb ihrer Entscheidungsfindung ausgelöst“, stellte Ineke Pit-ten Cate, Mitglied des Forschungsteams, fest. „Obwohl die Lehrer erwiesenermaßen gute Entscheider waren, konnten sich bei geringem Verantwortungsbewusstsein Fehler, bedingt durch eine voreingenommene Erwartungshaltung, einschleichen“, so die Forscherin.
Unter normalen Umständen sind sich Lehrer ihrer Verantwortung für Entscheidungen, die ihre Schüler betreffen, sehr wohl bewusst, sodass das Risiko der Voreingenommenheit relativ gering ist. „Diese Studie zeigt, dass wir uns bei wichtigen Entscheidungen mental anstrengen sollten, um Fehler zu vermeiden, die durch eine ungewollte Voreingenommenheit bedingt sind“, so Ineke Pit-ten Cate.
Foto: Prof Dr Sabine Krolak-Schwerdt
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Prof. Dr. Sabine Krolak Schwerdt, E. sabine.krolak@uni.lu, T. +352 46 66 44 9574
Weiterführende Links: Prof. Dr. Sabine Krolak Schwerdt, Research unit Education, Culture, Cognition and Society (ECCS)