(C) University of Luxembourg
Wie Riesentrompeten ragen die bunten „Supertrees“ in den dunstigen Himmel. Der Wald aus bis zu 50 Meter hohen Stahl- und Betontrichtern, mit Tropenpflanzen und Solarzellen bestückt und per Skywalk miteinander verbunden, zählt zu den neuesten Touristenattraktionen der „Gardens by the Bay“ in Singapur. Der futuristische Ökopark ist nicht nur ein Zeichen von Reichtum und Lebensqualität des Inselstaates. Die Superbäume zeugen auch vom Ehrgeiz Singapurs, in Hightech, Design und Innovation Maßstäbe zu setzen.
Der rund fünf Millionen Einwohner zählende Inselstaat, flächenmäßig der kleinste Südostasiens, gehört zu den wohlhabendsten der Welt und soll ein Forschungs-Wunschpartner Luxemburgs in Asien werden. Das ist das Ziel des Fonds National de la Recherche (FNR), der Mitte Juni ein erstes Symposium mit Topuniversitäten in Singapur für eine hochkarätige Delegation von rund 20 Wissenschaftlern und Führungskräften der Universität Luxemburg sowie der öffentlichen Forschungsinstitute LIST, LIH, LISER und dem Max Planck Institute Luxembourg (MPI) initiierte.
Viele Parallelen zu Luxemburg
Internationale Zusammenarbeit gilt als wichtiger Erfolgsfaktor auf dem Weg zu exzellenter Forschung und Hochschullehre. Nach der Vernetzung mit Europa und den USA sondiert der FNR jetzt in Asien. „Singapur erscheint uns ideal, weil das Land zahlreiche Gemeinsamkeiten mit Luxemburg hat“, so FNR-Generalsekretär Marc Schiltz: „Denn Singapur ist ein mehrsprachiger Kleinstaat, ein Wirtschaftshub mit starkem Dienstleistungs- und Finanzsektor und ein Innovationstreiber, der nachhaltig in Forschung investiert.“
Rund eine Million Euro Anschubfinanzierung will der FNR für erste bilaterale Forschungsprojekte und den Austausch von Wissenschaftlern bereitstellen und den Asiaten damit zeigen, dass es das Großherzogtum ernst meint. Langfristiges Ziel ist ein offizielles Kooperationsabkommen, doch nun geht es erst einmal darum, sich kennenzulernen und den etablierten Singapurer Sektor für die noch junge Forschung „made in Luxembourg“ und die Standortvorteile des Großherzogtums zu interessieren: dichtestes Datencenternetz in Europa, modernste Infrastruktur, business-freundlicher Gesetzesrahmen.
Herzstück des Besuchs ist ein Symposium mit der „National University of Singapore“ (NUS), die aktuellen Rankings zufolge zu den Weltbesten zählt. In Kurzpräsentationen stellen Fakultäten der Luxemburger Universität, ihre Forschungszentren LCSB und SnT sowie die öffentlichen Forschungszentren Luxemburgs ihre Schwerpunkte, Kennzahlen und Erfolge vor. Dazu kommen zahlreiche individuelle Gespräche zwischen Wissenschaftlern aus dem Großherzogtum und Experten passender Fachbereiche der NUS, der „Nanyang Technology University“ (NTU) und der „Singapore University of Technology and Design“ sowie ein Austausch mit der staatlichen „Agency for Science, Technology and Research“ (A*Star).
Bio- und ICT-Kooperation, Austauschsemester und Start-up-Events
Nach drei Tagen zufriedene Gesichter: Die Luxemburger Wissenschaftler sind sich einig, dass sich die lange Anreise über 10 500 Kilometer gelohnt hat. „Wir haben ähnliche Forschungsansätze in den Materialwissenschaften und „Computational Mechanics“ und planen einen Austausch von Ingenieurstudierenden sowie von Doktoranden und Post-Docs“, so Paul Heuschling, Dekan der naturwissenschaftlichen Fakultät der Universität Luxemburg. "Es war schön zu sehen, dass das LCSB mittlerweile auch in Singapur als attraktiver Partner gesehen wird. Konkrete Projekte sind bereits in der Bioinformatik, der Rolle von Darmbakterien und der Entstehung von Nervensystem-Erkrankungen" geplant“, berichtet LCSB-Direktor Rudi Balling.
Vielversprechende Kooperationsansätze auch im ICT-Bereich: „Besonders inspirierend waren die Gespräche mit der noch jungen ,Singapore University of Technology and Design’, die in Forschung und Lehre sehr innovativ, interdisziplinär und unternehmerisch arbeitet“, so Lionel Briand, stellvertretender Direktor des „Interdisciplinary Centre for Security, Reliability and Trust“ (SnT) der Uni Luxemburg. Zwar habe man sich in der wissenschaftlichen Community schon zuvor gekannt, doch im Gespräch vor Ort Publikationen austauschen und viel besser verstehen können, woran genau und wie die Kollegen arbeiteten.
„Die Singapurer sind ernsthaft an uns interessiert“, unterstreicht auch Stefan Braum, Dekan der Fakultät für Recht, Wirtschaft und Finanzen der Uni. Die NTU etwa suche derzeit in Europa kompetente wissenschaftliche Partner, die zu Finanzkrisen, Fragen des Finanz- und Gesellschaftsrechts, Fintech und der Digitalisierung des Finanzsektors forsche. Luxemburgs Umgang mit der Krise und das Renommee des Jurafachbereichs der Uni Luxemburg habe die Asiaten beeindruckt. Geplant sei eine gemeinsame Forschungsgruppe, die Probleme der Finanzmärkte, wie sie beide Länder kennen, vergleichend untersucht. Zudem wollen die Singapurer den Luxemburger Entrepreneurship-Studierenden Teilnahme an Startup-Projekten sowie Austauschsemester anbieten. „Für Studierende aus Singapur ist die europäische Kulturerfahrung und die Praxisnähe unserer Studiengänge sehr attraktiv“, so Braum.
Vom Prüfungsdrill zu Persönlichkeiten
Nicht nur Physiker und Biologen, Juristen und Wirtschaftswissenschaftler, sondern auch die Geisteswissenschaftler identifizierten Gemeinsamkeiten. So investiert die Singapurer Regierung Millionen in Bildungsforschung, um den traditionellen, auf Prüfungsdrill ausgerichteten Schulunterricht zu modernisieren und Persönlichkeiten auszubilden, die Wissen kreativer anwenden. „Singapur ist wie wir mit Migration und Mehrsprachigkeit konfrontiert – Themen, die Forscher beider Seiten interessieren“, so Georg Mein, Dekan der geisteswissenschaftlichen Fakultät.
Konkret geplant ist etwa ein Folgetreffen mit Neurowissenschaftlern des „National Institute of Education“, die ähnlich wie die Luxemburger den Einfluss wechselnder Unterrichtssprachen auf Prozesse im Gehirn untersuchen. Hilmar Schneider, Direktor des Sozialforschungsinstituts LISER (ehem. CEPS Instead) will u.a. mit Soziologen und Biologen ein internationales Projekt über die Zusammenhänge zwischen genetischer Disposition und Persönlichkeitstypen – eines des spannendsten neuen interdisziplinäre Forschungsthemen – lancieren.
„Luxemburg braucht sich nicht zu verstecken“
Ob aus dem Antrittsbesuch in Asien eine echte Partnerschaft wird, muss die Zeit zeigen. Das Interesse des Tigerstaates sei jedenfalls geweckt, da sind sich FNR und Wissenschaftler sicher. „Luxemburg braucht sich nicht zu verstecken. Auch wenn unsere Institutionen wegen ihrer Jugend noch nicht das internationale Renommee haben, so haben wir jedoch Topforscher, und das wird auch in Singapur erkannt“, bilanziert Ludwig Neyses, Forschungs-Vizerektor der Universität.
Der breite Austausch mit den Asiaten sei schon für sich ein Erfolg gewesen und sorge zudem für mehr internationale Sichtbarkeit Luxemburgs. „Die Dynamik unseres Forschungssektors und das Potential einzelner Fachbereiche war auch für Singapur gut erkennbar“, meint auch Marc Schiltz vom FNR. Der Forschungs- und Innovationscampus Belval werde dies in Zukunft noch verstärken.
Autor: University of Luxembourg / Britta Schlüter
Foto © Britta Schlüter/University of Luxembourg