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Manchmal kann es hilfreich sein, die Perspektive zu wechseln. Wenn also beispielsweise die luxemburgische Arbeitsverwaltung Zahlen veröffentlicht, aus denen hervorgeht, dass die Zahl arbeitsloser Akademiker im Zeitraum 2006 bis 2016 um gut 200 Prozent gestiegen ist, dann wirkt das zunächst alarmierend. Richtet man den Fokus allerdings nicht nur auf diese 3302 Hochschulabsolventen ohne Job, sondern auf die allgemeine Entwicklung im Hochschulsektor, so relativiert sich dieser Anstieg recht schnell.
„Um diese Zahlen richtig zu deuten, muss man wissen, dass damit nicht die Arbeitslosenrate unter den höher Gebildeten gemeint ist, sondern die Anzahl arbeitsloser Akademiker und deren Anteil an der Gesamtzahl aller Arbeitslosen“, erklärt Soziologin Anne Hartung von der Uni Luxemburg. Oder anders gesagt: „Steigt in der Bevölkerung die Zahl der Studierten, steigt - unter sonst gleichbleibenden Bedingungen – ebenfalls die Zahl der studierten Beschäftigten, aber eben auch die Zahl der arbeitssuchenden Studierten.“ Und genau das war und ist in Luxemburg der Fall.
Jeder dritte Luxemburger verfügt über einen Hochschulabschluss
Die Soziologin, die am Uni-Institut IRSEI (Institute for Research on Socio-Economic Inequality) soziale Ungleichheiten erforscht, hat diese Zahlen gemeinsam mit Louis Chauvel, Leiter des Instituts, analysiert. Vorangegangen war eine parlamentarische Anfrage zur Arbeitslosigkeit unter Hochschulabsolventen, deren Antwort in der Öffentlichkeit für Diskussionen sorgte. Offensichtlich tat man sich schwer damit, die vom Arbeitsministerium gelieferten Zahlen richtig zu deuten.
Wie Hartung erklärt, ist das Bildungsniveau im Großherzogtum innerhalb der letzten Jahre rapide gewachsen. Hatte 2004 noch ungefähr jeder vierte Luxemburger einen Hochschulabschluss, so war es zehn Jahre später bereits jeder dritte. Noch extremer sei dieser Trend in der Altersgruppe der 30- bis 34-Jährigen, so die Forscherin. In dieser jüngsten Kohorte seien inzwischen 40 Prozent im Besitz eines Hochschulabschlusses.
Ausländische und ältere Akademiker eher von Arbeitslosigkeit betroffen
Die Arbeitslosigkeit unter den Hochschulabsolventen hat sich also keineswegs so dramatisch entwickelt, wie es auf den ersten Blick scheint. Erhöht hat sie sich aber dennoch. So ist die Quote im Zeitraum 2006 bis 2015 von 3,1 auf 4,7 Prozent gestiegen. Laut Hartung liegt diese Quote wie auch die luxemburgische Arbeitslosenquote insgesamt jedoch noch weit unter dem EU-Durchschnitt.
„Zudem ist die Arbeitslosenquote unter den höher Gebildeten langsamer gestiegen als in anderen Gruppen“, sagt die Soziologin. Die Arbeitslosenquote bei Menschen mit niedrigem Bildungsabschluss etwa sei zwei bis drei Mal so hoch wie bei Akademikern.
Die Auswertung der Statistiken zeigt auch, dass die Hälfte der Betroffenen weniger als sechs Monate arbeitslos ist. „Es ist allerdings eine Tendenz zu längerer Arbeitslosigkeit zu erkennen“, fügt Hartung hinzu. Besonders betroffen von Arbeitslosigkeit seien Migranten. Gleiches gelte auch für Akademiker jenseits der 50 – was die Soziologin als Indiz dafür wertet, dass die Abschlüsse jüngerer Absolventen besser auf den Arbeitsmarkt ausgerichtet sind.
Entwicklung im Auge behalten
Zu den Disziplinen, in denen man die meisten Arbeitssuchenden findet, zählen vor allem die Wirtschaftswissenschaften (28 Prozent aller arbeitslosen Akademiker), gefolgt von den angewandten Wissenschaften sowie den Sozial- und Erziehungswissenschaften (jeweils 13 Prozent) und den Literaturwissenschaften (12 Prozent). Allerdings deckten diese Disziplinen sehr vielseitige Berufe ab, erklärt die Soziologin, und sie gehörten zu sehr stark wachsenden Wirtschaftszweigen, sodass die Arbeitslosigkeit in diesen Disziplinen in den vergangenen zehn Jahren nicht überproportional gestiegen sei.
Alles in allem ist für Hartung die Entwicklung der Erwerbslosigkeit unter den Hochschulabsolventen keineswegs besorgniserregend. Zumindest derzeit noch nicht. „Wichtig ist aber, dass man die Entwicklung im Auge behält“, sagt sie. Ein Hochschulstudium schütze sicher nicht automatisch vor befristeten Verträgen, Leiharbeit oder Dauerpraktika, räumt sie ein. „Es ist aber nach wie vor die beste Versicherung gegen Arbeitslosigkeit.“
Autor: Uwe Hentschel
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